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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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letzten Angriff wieder ganz vorn, wie viele Leben hast du?«
    »Unsinn«, knurrte Bandi, »das waren nur Kratzer.«
    »Und die Franziskaner, die für uns kämpften? Da war einer, mager und schmutzig, der eine uralte Donnerbüchse mit Dutzenden Kugeln und Steinen lud, dann raufkletterte und sie abschoss wie eine Mitrailleuse. Einen habe ich gesehen, der war an einer Arschbacke getroffen, er hat sich die Kugel rausoperiert und weiter geschossen.«
    Dann ging Abba daran, mir die Schlacht an der Admiralsbrücke zu schildern: »Bei Gott, Simonini, das war ein Tag wie in einem Epos von Homer! Wir standen vor den Toren von Palermo, und da kommt uns ein Trupp lokaler Aufständischer zu Hilfe. Einer brüllt ›Herrgott!‹, dreht sich um sich selbst, macht drei, vier Schritte zur Seite wie ein Betrunkener und fällt in einen Graben, unter zwei Pappeln, neben denen ein toter Neapolitaner liegt, vielleicht der erste von unseren Leuten überraschte Wachmann am Tor. Und ich höre noch diesen Genuesen, der mitten im Bleihagel in seinem Dialekt schreit: ›Belandi, wie kommt man hier durch?‹, und eine Kugel trifft ihn mitten in die Stirn und streckt ihn nieder mit geborstenem Schädel. An der Admiralsbrücke, auf der Straße, auf den Bögen, unter der Brücke und in den Gärten, überall Gemetzel mit Bajonetten. Bei Tagesanbruch sind wir zwar Herren der Brücke, aber blockiert durch ein heftiges Sperrfeuer, das von einem Trupp Infanterie hinter einer Mauer kommt, während uns von links ein Häuflein Kavallerie angreift, aber aufs Land zurückgetrieben wird. Wir überwinden die Brücke, drängen uns an der Porta Termini zusammen, sind aber im Schussfeld der Kanonen eines Schiffes, das uns vom Hafen aus beschießt, und gleichzeitig unter dem Feuer einer Barrikade vor uns. Aber egal. Eine Glocke läutet Sturm. Wir dringen in die engen Gassen vor, und auf einmal, Herrgott, was für ein Anblick! Hinter einem Eisengitter, an die Stäbe geklammert mit Händen, die wie Lilien aussehen, drei wunderschöne, in Weiß gekleidete Mädchen, die uns stumm anblicken. Sie sehen aus wie die Engel, die man auf den Fresken in den Kirchen sieht. Wer seid ihr, fragen sie uns, und wir sagen, wir sind Italiener, und fragen zurück, wer sie sind, und sie antworten, sie seien Nönnchen. Ach, ihr Ärmsten, sagen wir, die wir sie gerne befreit hätten aus diesem Gefängnis und fröhlich gemacht hätten, und sie rufen Viva Santa Rosalia! Wir antworten Viva l’Italia! Und da rufen auch sie Viva l’Italia! mit ihren süßen Psalmenstimmen und wünschen uns den Sieg. Wir haben noch fünf Tage in Palermo gekämpft, bevor der Waffenstillstand geschlossen wurde, aber Nönnchen haben wir keine mehr gesehen und mussten uns mit Hürchen begnügen!«
     
     
     
    Wie weit darf ich mich diesen beiden Enthusiasten anvertrauen? Sie sind jung, es waren ihre ersten Waffengänge, schon vorher haben sie ihren General angebetet, sie sind auf ihre Weise Romanciers wie Dumas, sie schmücken ihre Erinnerungen aus und machen aus einem Huhn einen Adler. Zweifellos haben sie sich tapfer verhalten bei diesen Scharmützeln, aber war es ein Zufall, dass Garibaldi so ruhig mitten durchs Feuer spazierte, ohne jemals getroffen zu werden, obwohl ihn die Feinde doch von weitem sehen mussten? Könnte es sein, dass diese Feinde auf höheren Befehl unachtsam geschossen haben, ohne genau zu zielen?
    Dieser Gedanke war mir schon vorher gekommen, als ich ein paar gebrummelte Sätze vom Wirt meiner Locanda aufgeschnappt hatte, der in anderen Teilen der Apenninenhalbinsel herumgekommen ist und eine halbwegs verständliche Sprache spricht. Er hat mich darauf gebracht, ein bisschen mit Don Fortunato Musumeci zu plaudern, einem Notar, der alles über jeden wisse und auch schon bei verschiedenen Gelegenheiten sein Misstrauen gegenüber den Neuankömmlingen erkennen lassen habe.
    Zu dem konnte ich nicht gut im Rothemd gehen, und so fiel mir die Soutane von Pater Bergamaschi ein, die ich in meinem Gepäck hatte. Ein paarmal mit dem Kamm durchs Haar gefahren, einen gebührend salbungsvollen Gesichtsausdruck aufgesetzt und die Augen gesenkt, schon war ich aus der Locanda geschlüpft, ohne dass mich jemand hätte erkennen können. Es war eine große Unvorsichtigkeit, denn es ging das Gerücht, dass die Jesuiten aus Sizilien verbannt werden sollten. Aber es war eine gute Tarnung. Und außerdem würde ich als Opfer einer drohenden Ungerechtigkeit das Vertrauen der antigaribaldinischen Kreise

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