Die historischen Romane
meisten von ihnen stinken. Es gibt schon jetzt nur wenig zu essen, wie soll das erst werden, wenn unsere Zahl noch weiter ansteigt? Darum ist es nötig, die Bevölkerung auszudünnen. Sicher, es gibt die Pestilenzen, die Suizide, die Kapitalstrafen, es gibt Leute, die sich ständig zum Duell fordern oder denen es Spaß macht, auf dem Pferderücken Hals über Kopf durch die Wälder und über die Wiesen zu jagen, ich habe von englischen Gentlemen gehört, die ins Meer gehen, um zu schwimmen, und natürlich ertrinken sie dann… Aber das reicht nicht. Kriege sind die effizienteste und natürlichste Lösung, und man kann nur hoffen, dass sie das Wachstum der Menschheit in Grenzen halten. Sagte man nicht vor Zeiten, wenn man in den Krieg zog, dass Gott es so wolle? Aber dazu braucht man Menschen, die Lust haben, in den Krieg zu ziehen. Würden sich alle zu Hause vergraben, würde keiner mehr im Krieg sterben. Und wozu dann noch welche führen? Deshalb brauchen wir solche Leute wie Nievo, Abba und Bandi, die sich freudig ins Kampfgetümmel stürzen, den Salven der Mitrailleusen entgegen. Damit Leute wie ich leben können ohne die ständige Angst vor einer Menschheit, die einem den Atem nimmt.
Wir brauchen sie also, auch wenn ich sie nicht mag, die schönen Seelen.
* * *
Bin jetzt auch zu La Farina gegangen und habe ihm meinen Empfehlungsbrief präsentiert.
»Wenn Sie gute Nachrichten von mir erwarten, um sie nach Turin zu melden, schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Hier gibt es keine Regierung. Garibaldi und Bixio glauben, sie befehligten Genuesen wie sie, nicht Sizilianer wie mich. In einem Land, in dem die allgemeine Wehrpflicht unbekannt ist, hat man ernsthaft daran gedacht, dreißigtausend junge Männer einzuberufen. In vielen Kommunen ist es zu richtigen Aufständen gekommen. Man dekretiert, dass in den Gemeinderäten keine Angestellten der früheren königlichen Verwaltung sitzen dürfen, dabei sind das oft die einzigen, die lesen und schreiben können. Vorgestern haben ein paar Pfaffenfresser vorgeschlagen, die städtische Bibliothek zu verbrennen, weil sie von den Jesuiten gegründet worden ist. Man macht einen jungen Mann aus Marcilepre, den niemand kennt, zum Gouverneur von Palermo. Im Innern der Insel häufen sich Delikte aller Art, und oft sind die Mörder dieselben, die für die öffentliche Ordnung einstehen müssten, denn man hat auch echte Briganten dafür eingestellt. Garibaldi ist ein ehrenwerter Mann, aber er sieht nicht, was direkt unter seinen Augen vorgeht: von einer einzigen Pferdeherde, die in der Provinz Palermo requiriert worden ist, sind zweihundert Tiere verschwunden! Man erteilt den Auftrag, ein Bataillon aufzustellen, jedem beliebigen, der darum ersucht, so dass es Bataillone gibt, die eine Musikkapelle und Offiziere in voller Zahl für höchstens vierzig bis fünfzig Soldaten haben! Man vergibt ein und denselben Posten an drei oder vier Personen! Man lässt ganz Sizilien ohne Gerichte, es gibt weder Zivil- noch Straf-, noch Handelsgerichte, weil die ganze Richterschaft en bloc entlassen worden ist, und man bildet Militärkommissionen, die über alles und jeden richten sollen, wie in den Zeiten der Hunnen! Crispi und seine Bande behaupten, Garibaldi wolle keine Zivilgerichte, weil die Richter und Advokaten Betrüger seien, er wolle keine parlamentarische Versammlung, weil die Abgeordneten Männer der Feder und nicht des Schwertes seien, er wolle keine öffentlichen Sicherheitskräfte, weil die Bürger sich alle selbst bewaffnen und schützen sollten. Ich weiß nicht, ob das wahr ist, aber inzwischen gelingt es mir nicht einmal mehr, mich mit dem General zu besprechen.«
Am 7. Juli habe ich erfahren, dass La Farina festgenommen und nach Turin zurückgeschickt worden ist. Auf Befehl von Garibaldi, aber offenkundig auf Betreiben von Crispi. Cavour hat nun keinen Informanten mehr. Alles wird also von meinem Bericht abhängen.
Ich brauche mich nicht mehr als Pater zu verkleiden, um zu hören, was die Leute hinter vorgehaltener Hand sagen: In den Tavernen schimpfen sie lauthals, und manchmal sind es gerade die Freiwilligen, die sich über den allgemeinen Schlendrian beklagen. Von den Sizilianern, die sich Garibaldi nach dem Einzug in Palermo angeschlossen haben, soll ein halbes Hundert schon wieder gegangen sein, einige unter Mitnahme ihrer Waffen. »Das sind Bauern, die sich wie Stroh entzünden und schnell ermüden«, rechtfertigt sie Abba. Der Kriegsrat verurteilt sie zum Tode, aber
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