Die historischen Romane
ich machen muss. Man wird Ihnen gesagt haben, dass ich ein homme de lettres bin, und doch muss ich hier die Soldaten mit Geld und Kleidung beliefern und zwanzigtausend neue Uniformen bestellen, denn täglich treffen neue Freiwillige aus Genua, La Spezia und Livorno ein. Und dann immer diese Gesuche, von Grafen und Herzoginnen, die zweihundert Dukaten Salär im Monat haben wollen und meinen, Garibaldi sei der Erzengel des Herrn. Hier erwarten sich alle, dass die Dinge von oben kommen, es ist nicht so wie bei uns, dass man sich bemühen muss, wenn man etwas haben will. Man hat mir die Kasse anvertraut, vielleicht weil ich in Padua den Doktor beider Rechte gemacht habe oder weil man weiß, dass ich nicht stehle, und nicht zu stehlen ist eine große Tugend hier auf dieser Insel, wo Fürst und Betrüger ein und dasselbe sind.«
Offensichtlich spielt er den zerstreuten Dichter. Als ich ihn fragte, ob er schon zum Oberst befördert sei, antwortete er, das wisse er nicht genau. »Sie müssen verstehen, hier ist die Lage ein bisschen konfus«, sagte er. »Bixio versucht eine militärische Disziplin nach Art der Piemontesen einzuführen, als wären wir in Pinerolo, dabei sind wir ein Haufen Freischärler. Aber bitte, wenn Sie Artikel für Ihre Zeitung in Turin schreiben, lassen Sie diese unschönen Dinge beiseite. Schildern Sie lieber die echte Erregung, die Begeisterung, von der wir hier alle durchdrungen sind. Hier sind Leute, die ihr Leben für etwas aufs Spiel setzen, woran sie glauben. Das übrige können Sie wie ein Abenteuer in Kolonialländern nehmen. In Palermo lebt es sich gut, mit seinem Klatsch und Tratsch ist es wie Venedig. Wir werden als Helden bewundert, zwei Handbreit rote Bluse und siebzig Zentimeter Säbel machen uns begehrenswert in den Augen vieler schöner Damen, deren Tugend nur Schein ist. Es vergeht kein Abend, an dem wir nicht im Parkett eines Theaters sitzen, und die Sorbets sind ausgezeichnet.«
»Sie sagten, Sie müssten für so viele Ausgaben sorgen. Wie machen Sie das mit dem wenigen Geld, mit dem Sie in Genua aufgebrochen sind? Nehmen Sie das Geld, das Sie in Marsala requiriert haben?«
»Das war nur Kleingeld. Aber als wir nach Palermo kamen, hat Garibaldi als erstes Crispi zur Banca delle Due Sicilie geschickt, um deren Gelder zu requirieren.«
»Ich habe davon gehört, man spricht von fünf Millionen Dukaten…«
Hier wurde der Dichter wieder ganz zum Vertrauensmann des Generals. »Ach, wissen Sie«, sagte er und blickte zur Zimmerdecke, »es wird soviel geredet… Hinzu kommen jedenfalls auch die Spenden von Patrioten aus ganz Italien, ja ich möchte sagen, aus ganz Europa – und das sollten Sie in Ihrer Turiner Zeitung schreiben, um auch die Zerstreuten auf die Idee zu bringen. Kurzum, das Schwierigste ist, die Bücher in Ordnung zu halten, denn wenn dies einmal offiziell Königreich Italien sein wird, werde ich alles ordentlich der Regierung Ihrer Majestät übergeben, auf den Centesimo genau aufgeführt nach Einnahmen und Ausgaben.«
Wie wirst du’s mit den Millionen der englischen Freimaurer halten, fragte ich mich. Entweder ihr steckt alle unter einer Decke, du, Garibaldi und Cavour, und habt das Geld erhalten, aber man darf nicht darüber sprechen. Oder vielleicht ist das Geld zwar gekommen, aber du hast nichts davon gewusst und weißt auch jetzt nichts davon, du bist nur ein Strohmann, ein kleiner Tugendbold, hinter dem sie sich verstecken (aber wer?), und womöglich glaubst du im Ernst, ihr hättet die Schlachten allein dank der Güte Gottes gewonnen? Der Mann ist mir noch zu undurchsichtig geblieben. Das einzige, was in seinen Worten aufrichtig klang, war das tiefe Bedauern darüber, dass die Freiwilligen in diesen Wochen zur Ostküste vorrücken und sich von Sieg zu Sieg darauf vorbereiten, über die Meerenge von Messina nach Kalabrien einzudringen und weiter nach Neapel, während er hier in Palermo festsitzt, um die ökonomischen Konten in der Etappe zu pflegen und die Faust in der Tasche zu ballen. Es gibt Leute, die sind so: Anstatt sich über ihr Los zu freuen, das ihnen gute Sorbets und schöne Damen bietet, sehnen sie sich danach, dass weitere Kugeln ihre Mäntel durchlöchern.
Ich habe sagen hören, dass auf der Erde mehr als eine Milliarde Menschen leben. Ich weiß nicht, wie man es angestellt hat, sie zu zählen, aber man braucht nur in Palermo herumzulaufen, um zu begreifen, dass wir zu viele sind und uns jetzt schon andauernd auf die Füße treten. Und die
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