Die historischen Romane
ersten Mal brachte, an dem ihn Bianco, Riccardi und Negri di Saint Front erwarteten.
»Avvocato Simonini«, begann Bianco, »ich weiß nicht, ob die Vertrautheit, die uns inzwischen verbindet, mir erlaubt, Ihnen meine Gefühle unverblümt auszudrücken, aber ich muss Ihnen sagen, Sie sind ein Dummkopf.«
»Cavaliere, wie können Sie…?«
»Er kann, er kann«, schaltete sich Riccardi ein, »und er spricht auch in unserem Namen. Ich würde sogar ergänzen, ein gefährlicher Dummkopf, so gefährlich, dass man sich fragen muss, ob es klug ist, Sie noch in Turin herumlaufen zu lassen mit solchen Ideen im Kopf.«
»Entschuldigen Sie, ich mag etwas falsch gemacht haben, aber ich verstehe nicht…«
»Sie haben nicht nur etwas, Sie haben alles falsch gemacht! Sind Sie sich darüber im klaren, dass in wenigen Tagen – das wissen inzwischen bereits die Klatschbasen – General Cialdini mit unseren Truppen in den Kirchenstaat eindringen wird? Sehr wahrscheinlich wird unser Heer in einem Monat vor den Toren Neapels stehen. Bis dahin werden wir eine Volksabstimmung veranlasst haben, durch die das Königreich beider Sizilien mit allen seinen Territorien offiziell dem Königreich Italien angeschlossen werden wird. Wenn Garibaldi der Realist und Gentleman ist, als den wir ihn kennen, dann wird er sich auch diesem Hitzkopf Mazzini widersetzt haben und die Lage bon gré mal gré akzeptieren, so wie sie ist, also die eroberten Gebiete in die Hände des Königs legen und als strahlender Patriot dastehen. Dann werden wir das garibaldinische Heer auflösen müssen, denn diese inzwischen sechzigtausend Mann starke Truppe sollte man lieber nicht ungezügelt herumlaufen lassen. Wir werden die Freiwilligen ins savoyische Heer aufnehmen und die anderen mit einer Abfindungsprämie nach Hause schicken. Lauter tapfere Jungs, lauter Helden. Und da wollen Sie, dass wir Ihren ruchlosen Bericht der Presse zum Fraß vorwerfen und damit sagen, dass diese Garibaldiner, die gerade dabei sind, unsere Soldaten und Offiziere zu werden, eine Horde von Schurken und Spitzbuben waren, noch dazu Ausländer, die Sizilien geplündert haben? Dass Garibaldi nicht der reinste und edelste aller Helden ist, dem ganz Italien dankbar sein muss und sein wird, sondern ein Abenteurer, der einen schlappen und gebrechlichen Feind besiegt, indem er ihn kauft? Und dass er bis zuletzt mit Mazzini konspiriert hat, um aus Italien eine Republik zu machen? Dass sein General Nino Bixio über die Insel gezogen ist, um Liberale zu erschießen und Hirten und Bauern zu massakrieren? Sie sind ja verrückt!«
»Aber Sie, meine Herren, Sie hatten mich doch beauftragt…«
»Wir hatten Sie nicht beauftragt, Garibaldi und die tapferen Italiener, die mit ihm gekämpft haben, zu diffamieren, sondern Dokumente zu finden, die beweisen, dass die republikanische Entourage des Helden die besetzten Gebiete schlecht verwaltet, um eine piemontesische Intervention zu rechtfertigen.«
»Aber meine Herren, Sie wissen doch, dass La Farina…«
»La Farina schrieb private Briefe an den Grafen Cavour, der sie bestimmt nicht öffentlich herumgezeigt hat. Außerdem ist La Farina eben La Farina, er hat nun mal eine persönliche Abneigung gegen Crispi. Und schließlich, was sind das für Phantastereien über das Gold der englischen Freimaurer?«
»Alle reden davon.«
»Alle? Wir nicht. Und überhaupt, was sollen das für Freimaurer sein? Sind Sie Freimaurer?«
»Ich nicht, aber…«
»Dann kümmern Sie sich nicht um Dinge, die Sie nichts angehen. Lassen Sie die Freimaurer, wo sie sind.«
Offenbar hatte Simonini nicht begriffen, dass alle in der savoyischen Regierung Freimaurer waren, dabei hätte er das von den Jesuiten, die er von klein auf um sich gehabt hatte, wissen müssen. Aber schon legte Riccardi nach und fragte ihn, in welcher Geistesverwirrung er darauf verfallen sei, die Juden in seinen Bericht einzufügen.
Simonini stammelte: »Die Juden sind doch überall, und glauben Sie nicht…«
»Es geht nicht darum, was wir glauben oder nicht glauben«, unterbrach ihn Saint Front. »In einem geeinten Italien werden wir auch die Unterstützung der jüdischen Gemeinden brauchen, einerseits, und andererseits ist es unnötig, die guten italienischen Katholiken daran zu erinnern, dass unter den blütenreinen garibaldinischen Helden auch Juden waren. Kurzum, nach all den Fettnäpfchen, in die Sie getreten sind, hätten wir genügend Gründe, Sie zum frische Luft Atmen für ein paar Dutzend
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