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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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dann lässt er sie laufen, wohin sie wollen, wenn es nur möglichst weit weg ist.
    Ich versuche zu begreifen, welche Gefühle diese Leute wirklich haben. Die ganze Aufregung, die überall in Sizilien herrscht, kommt daher, dass dies ein gottverlassenes Land war, von der Sonne verbrannt, ohne anderes Wasser als das des Meeres und mit nur wenigen stachligen Früchten. In dieses Land, in dem seit Jahrhunderten nichts geschehen war, ist Garibaldi mit den Seinen gekommen. Es ist nicht so, dass die Leute hier für ihn wären, und ihnen liegt auch nichts an dem König, den Garibaldi zu entthronen gedenkt. Sie sind einfach wie betrunken von der Tatsache, dass hier endlich mal etwas Neues geschieht. Und jeder interpretiert dieses Neue auf seine Weise. Vielleicht ist dieser große Wind voller Neuheiten bloß ein Schirokko, der bald wieder alle einschlafen lässt.
     
    * * *
     
    (30. Juli) Von Nievo, mit dem ich inzwischen eine gewisse Vertrautheit habe, erfahre ich, dass Garibaldi einen förmlichen Brief von Vittorio Emanuele erhalten hat, der ihm befiehlt, nicht die Meerenge von Messina zu überqueren. Aber dem Befehl lag ein persönliches Schreiben des Königs bei, das soviel besagt wie: Zuerst habe ich Ihnen als König geschrieben, jetzt lege ich Ihnen nahe, mir zu antworten, dass Sie meinen Rat gern befolgen würden, dass aber Ihre Pflichten gegenüber Italien Ihnen nicht erlaubten, die Neapolitaner im Stich zu lassen, wenn diese Sie bitten würden, sie zu befreien. Doppeltes Spiel des Königs, aber gegen wen? Gegen Cavour? Oder gegen Garibaldi selbst, dem er erst verbietet, aufs Festland überzusetzen, und dann Mut macht, es doch zu tun, um ihn, wenn er es getan hat, für seinen Ungehorsam zu bestrafen, indem er mit den piemontesischen Truppen in Neapel interveniert?
    »Der General ist zu naiv, er wird in eine Falle gehen«, sagt Nievo. »Ich wäre gern bei ihm, aber die Pflicht zwingt mich hierzubleiben.«
    Ich habe entdeckt, dass auch dieser zweifellos gebildete Mann von einer tiefen Verehrung für Garibaldi durchdrungen ist. In einem Augenblick der Schwäche hat er mir ein Gedichtbändchen gezeigt, das ihm vor kurzem zugeschickt worden ist, Amori garibaldini , im Norden gedruckt, ohne dass er die Fahnen korrigieren konnte.
    »Ich hoffe, wer mich liest, billigt mir das Recht zu, in meiner Eigenschaft als Held auch ein bisschen ein Esel zu sein, jedenfalls haben sie alles getan, um das beweisen, indem sie eine Reihe schändlicher Druckfehler stehenließen.«
    Ich habe eines dieser Gedichte überflogen, das ausdrücklich Garibaldi gewidmet ist, und bin zu der Überzeugung gelangt, dass Nievo wirklich ein bisschen ein Esel sein muss:
     
    Er hat ein ich weiß nicht was im Auge
    das leuchtet in seinem Geist
    und wenn er niederkniet
    scheint er die Leute zu beugen.
    Doch auf den volkreichen Plätzen
    siehst du ihn höflich, menschlich
    umhergehen und die Hand
    den Mädchen reichen.
     
    Hier sind alle ganz verrückt nach diesem krummbeinigen Sitzriesen.
     
     
     
    * * *
     
    (12. August) War bei Nievo, um mir das Gerücht bestätigen zu lassen: Die Garibaldiner sind an der kalabresischen Küste gelandet. Aber ich finde ihn schlechtgelaunt vor, er ist den Tränen nahe. Er hat erfahren, dass man in Turin unzufrieden mit seiner Verwaltung ist.
    »Dabei habe alles säuberlich hier aufgelistet«, sagt er und klopft mit der Hand auf seine in rotes Leinen gebundenen Bücher. »Soundsoviel Einnahmen, soundsoviel Ausgaben. Falls jemand etwas unterschlagen hat, wird man es in meiner Kontoführung erkennen. Wenn ich diese Bücher jemandem mit Pflichtgefühl übergebe, werden einige Köpfe rollen. Aber nicht meiner.«
     
    * * *
     
    (26. August) Auch ohne ein Stratege zu sein, glaube ich aus den Nachrichten, die ich erhalte, zu begreifen, was in Kürze geschehen wird. Ob wegen Freimaurergold oder Schwenk zur savoyischen Sache, einige Minister in Neapel intrigieren gegen König Francesco. In Neapel wird es zu einem Aufstand kommen, die Aufständischen werden die piemontesische Regierung um Hilfe bitten, und Vittorio Emanuele wird gen Süden marschieren. Garibaldi scheint nichts davon zu bemerken, oder er begreift alles und beschleunigt seinen Marsch. Er will vor Vittorio Emanuele in Neapel eintreffen.
     
    * * *
     
    Finde Nievo wutentbrannt, während er mir einen Brief vor die Nase hält. »Ihr Freund Dumas«, fährt er mich an, »gibt sich erst als Krösus, und dann meint er, der Krösus sei ich! Sehen Sie, was er mir schreibt, und

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