Die historischen Romane
Jährchen in eine unserer bequemen Alpenfestungen zu schicken. Aber leider brauchen wir Sie noch. Wie es scheint, bleibt dort unten noch dieser Hauptmann Nievo, oder Oberst, wenn er es inzwischen geworden ist, mit allen seinen Kontobüchern, und wir wissen erstens nicht, ob er sie korrekt geführt hat, und zweitens, ob es politisch nützlich wäre, wenn seine Abrechnungen bekannt würden. Sie sagen uns, dass Nievo vorhat, uns diese Bücher zu übergeben, und das wäre gut, aber bevor sie bei uns ankommen, könnte er sie anderen zeigen, und das wäre schlecht. Deshalb werden Sie nach Sizilien zurückfahren, immer noch als Sonderkorrespondent der Zeitung des Abgeordneten Boggio, um über die wunderbaren neuen Ereignisse zu berichten, werden sich wie ein Blutsauger an Nievo heften und dafür sorgen, dass diese Kontobücher verschwinden, sich in Luft auflösen, in Rauch aufgehen, so gründlich und endgültig, dass niemand mehr von ihnen spricht. Wie Sie das erreichen, ist Ihre Sache, und Sie sind ermächtigt, alle Mittel zu benutzen – wohlgemerkt alle im Rahmen der Legalität, einen anderen Auftrag kann man von uns ja nicht erwarten. Cavaliere Bianco wird Ihnen eine Anweisung für die Bank von Sizilien ausstellen, damit Sie über das nötige Geld verfügen.«
Ab hier wird auch das, was Dalla Piccola enthüllt, lückenhaft und fragmentarisch, als ob auch er Mühe hätte, sich an das zu erinnern, was sein Gegenüber so sehr zu vergessen bemüht war.
Wie es jedenfalls aussieht, hatte Simonini, als er Ende September nach Sizilien zurückgekehrt war, sich bis zum März des folgenden Jahres dort aufgehalten, immer vergeblich bemüht, Nievos Kontobücher in die Hand zu bekommen, während Bianco ihn alle vierzehn Tage per Depesche mit wachsender Ungeduld fragte, wie weit er gekommen sei.
Der Grund war, dass Nievo sich jetzt mit Leib und Seele diesen gebenedeiten Kontobüchern widmete, immer mehr von übelwollenden Stimmen bedrängt, immer mehr bemüht, Tausende von Einnahmen zu untersuchen, zu prüfen, nach Fehlern zu durchkämmem, um sicher zu sein, dass alles stimmte, inzwischen mit großer Autorität ausgestattet, da auch Garibaldi viel daran lag, dass keine Skandale oder auch nur Gerüchte aufkamen, weshalb er ihm ein Büro mit vier Mitarbeitern zur Verfügung gestellt hatte, bewacht von zwei Wächtern, einer am Eingang und einer im Treppenhaus, so dass nicht daran zu denken war, etwa bei Nacht einzudringen und nach den Büchern zu suchen.
Ja, mehr noch, Nievo hatte zu verstehen gegeben, dass ihm der Verdacht gekommen war, einigen Leuten könnte seine Buchführung nicht gefallen, weshalb er fürchtete, dass die Bücher gestohlen oder zerstört werden könnten, und so hatte er sein Bestes getan, sie unauffindbar zu machen. Daher blieb Simonini nichts anderes übrig, als seine Freundschaft mit dem Dichter noch zu vertiefen (sie waren inzwischen zum kameradschaftlichen Du übergegangen), um wenigstens zu verstehen, was Nievo mit dieser verflixten Dokumentation zu tun beabsichtigte.
Sie verbrachten viele Abende zusammen in jenem noch von ungetrübten Hitzewellen durchwehten herbstlichen Palermo, manchmal Aniswasser schlürfend und wartend, dass sich die weiße Flüssigkeit langsam im Wasser auflöste wie eine Rauchwolke. Vielleicht weil er Sympathie für Simonini empfand, vielleicht auch, weil er sich mittlerweile als Gefangener dieser Stadt fühlte und das Bedürfnis hatte, mit jemandem zu phantasieren, ließ Nievo nach und nach seine militärische Wachsamkeit fahren und wurde vertraulicher. Er sprach von einer Liebe, die er in Mailand zurückgelassen hatte, einer unmöglichen Liebe, denn sie war die Frau nicht nur seines Vetters, sondern seines besten Freundes. Aber da war nichts zu machen, auch seine anderen Liebschaften hatten ihn zur Hypochondrie getrieben.
»So bin ich nun mal, so muss ich wohl bleiben. Ich werde immer grüblerisch, dunkel, düster und gallig sein. Ich bin jetzt dreißig und habe immer Krieg geführt, um mich von einer Welt abzulenken, die ich nicht liebe. Und so habe ich zu Hause einen großen Roman zurückgelassen, noch im Manuskript. Ich würde ihn gerne gedruckt sehen, aber ich kann mich nicht darum kümmern, weil ich diese blöden Kontobücher zu pflegen habe. Wenn ich ehrgeizig wäre, wenn ich vergnügungssüchtig wäre… Wenn ich doch wenigstens bösartig wäre… Wenigstens so wie Bixio. Aber nein, nichts da. Ich bleibe ein Kind, ich lebe in den Tag hinein, ich liebe die Bewegung, um
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