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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mich zu bewegen, die Luft, um sie zu atmen. Ich werde sterben, um zu sterben… Und dann wird alles vorbei sein.«
    Simonini versuchte nicht, ihn zu trösten. Er hielt ihn für unheilbar.
     
    Anfang Oktober war es zur Schlacht von Volturno gekommen, in der Garibaldi die letzte Offensive des bourbonischen Heeres zurückgeschlagen hatte. Aber etwa zur selben Zeit hatte General Cialdini das päpstliche Heer bei Castelfidardo besiegt und war in die Abruzzen und nach Molise einmarschiert, die damals noch zum bourbonischen Reich gehörten. In Palermo festgehalten, ballte Nievo die Faust in der Tasche. Er hatte erfahren, dass unter seinen Anschwärzern in Piemont auch die Anhänger von La Farina waren, was zeigte, dass La Farina inzwischen sein Gift gegen alles verspritzte, was nach Rothemden roch.
    »Man möchte am liebsten alles hinschmeißen«, sagte Nievo bitter, »aber gerade in solchen Momenten darf man das Steuer nicht loslassen.«
     
    Am 26. Oktober fand das große Ereignis statt. Garibaldi traf sich mit Vittorio Emanuele bei Teano. Er überreichte ihm praktisch den Süden Italiens. Dafür hätte er mindestens zum Senator des Reiches ernannt werden müssen, sagte Nievo, aber nichts da. Anfang November stellte Garibaldi in Caserta vierzehntausend Mann und dreihundert Pferde in Reih und Glied auf, damit der König die Parade abnehmen konnte, aber der König ließ sich nicht blicken.
    Am 7. November hielt der König triumphalen Einzug in Neapel, und Garibaldi zog sich, ein moderner Cincinnatus, auf die Insel Caprera zurück. »Welch ein Mann!« sagte Nievo und weinte, wie es bei Dichtern vorkommt (was Simonini sehr peinlich fand).
    Nach wenigen Tagen wurde Garibaldis Heer aufgelöst, zwanzigtausend Freiwillige wurden ins savoyische Heer aufgenommen, aber gleichzeitig wurden auch dreitausend bourbonische Offiziere eingegliedert.
    »Das ist richtig«, sagte Nievo, »auch sie sind Italiener, aber es ist ein trauriger Schluss für unser Heldenepos. Ich gehe nicht ins savoyische Heer, ich tue hier noch sechs Monate Dienst und dann Adieu. Sechs Monate, um meinen Auftrag zu erfüllen, hoffentlich schaffe ich es.«
    Es muss eine schreckliche Arbeit gewesen sein, denn Ende November war er mit seinen Abrechnungen gerade bis Ende Juli gelangt. Grob geschätzt brauchte er noch drei Monate und vielleicht mehr.
    Als Vittorio Emanuele im Dezember nach Palermo kam, sagte Nievo zu Simonini: »Ich bin das letzte Rothemd hier unten und werde schon wie ein Wilder angestaunt. Und ich muss mich der Verleumdungen dieser La-Farina-Anhänger erwehren. Lieber Gott, wenn ich gewusst hätte, dass es so enden würde, hätte ich mich in Genua ertränkt, anstatt mich in diese Galeere einzuschiffen, und das wäre besser gewesen.«
    Bis dahin hatte Simonini noch keine Möglichkeit gefunden, die vermaledeiten Kontobücher in die Hand zu bekommen. Doch überraschend kündigte ihm Nievo Mitte Dezember an, dass er für kurze Zeit nach Mailand zurückkehren werde. Nahm er die Bücher mit? Ließ er sie in Palermo? Es war unmöglich, das in Erfahrung zu bringen.
     
    Nievo blieb fast zwei Monate fort, und Simonini verbrachte diese triste Zeit (ich bin kein sentimentaler Nostalgiker, sagte er sich, aber was ist Weihnachten in einer Wüste ohne Schnee und voller Kaktusfeigen?) mit Ausflügen in die Umgebung von Palermo. Er hatte sich ein Maultier gekauft, hatte wieder die Soutane von Pater Bergamaschi angezogen, und ritt von Dorf zu Dorf, um sich einerseits umzuhören, was die Pfarrer und Bauern so redeten, andererseits aber und vor allem, um die Geheimnisse der sizilianischen Küche zu erkunden.
    Dabei fand er in einsamen Landgasthäusern urige Köstlichkeiten zu kleinem Preis (aber groß im Geschmack) wie die acqua cotta : Es genügte, Brotstücke in eine Suppenterrine zu tun, sie mit viel Öl und frischgemahlenem Pfeffer anzumachen, derweil wurden Zwiebelscheiben, Tomatenstückchen und Poleiminze in gut gesalzenem Wasser gekocht, nach zwanzig Minuten wurde das Ganze über das Brot gegossen, man ließ es ein paar Minuten stehen und servierte es noch heiß.
    Vor den Toren von Bagheria entdeckte er eine Taverne mit wenigen Tischen in einem dunklen Hausgang, aber in diesem auch in den Wintermonaten angenehmen Schatten bereitete ein Wirt, der ziemlich schmutzig aussah (und es vielleicht auch war) herrliche Gerichte auf Basis von Innereien zu, wie Gefülltes Herz, Schweinegelee und Gekröse aller Art.
    Dort lernte er zwei sehr verschiedene Personen kennen, die

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