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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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große Unternehmen der Gelehrten müsse die neue Wissenschaft von der Natur sein; es gelte, durch eine neue Erkenntnis der Naturprozesse die elementaren Bedürfnisse zu koordinieren, die auch das wirre, aber auf seine Weise wahre und richtige Knäuel der Hoffnungen und Erwartungen des einfachen Volkes bilden. Die neue Wissenschaft als die neue magia naturalis. Nur dass Bacon noch meinte, dieses gewaltige Unternehmen müsse von der Kirche geführt werden, was vermutlich daran lag, dass zu seiner Zeit der Klerus noch so gut wie identisch war mit der Gemeinschaft der Gebildeten und Gelehrten. Heute ist das nicht mehr so, heute gibt es Gelehrte außerhalb der Klöster und Kathedralen, ja sogar außerhalb der Universitäten. Zum Beispiel hier in Italien: Der größte Philosoph, den unser Jahrhundert bislang hervorgebracht hat, war kein Mönch, sondern ein Privatgelehrter. Ich meine den Florentiner Alighieri, du hast gewiss schon von seinem großen Gedicht gehört. Ich habe es nie gelesen, da ich seine Volkssprache nicht verstehe, und es würde mir wohl auch kaum gefallen, denn soviel ich weiß, handelt es von abstrusen Dingen, die unserer Erfahrung sehr fernstehen. Aber daneben hat er die klügsten Dinge geschrieben, die uns zu verstehen gegeben sind, tiefe Einsichten über das Wesen der Elemente und die Natur des Kosmos, desgleichen über die richtige Führung der Staaten. Auch meine Freunde und ich sind heute der Ansicht, dass es nicht der Kirche, sondern der Volksversammlung zukommt, die Gesetze zur Führung der menschlichen Angelegenheiten zu erlassen, und in gleicher Weise, so meine ich, wird es künftig der Gelehrtengemeinschaft zukommen, diese grundlegend neue und menschliche Theologie zu verbreiten, die eine natürliche Philosophie und positive Magie ist.«
    »Ein großartiges Unternehmen«, sagte ich, »aber wird es durchführbar sein?«
    »Bacon hielt es für möglich.«
    »Und Ihr?«
    »Auch ich habe daran geglaubt. Aber um daran glauben zu können, muss man davon überzeugt sein, dass die einfachen Leute im Recht sind, weil sie die Intuition des Individuellen haben, die einzig richtige. Und wenn die Intuition des Individuellen die einzig richtige ist, wie kann es dann der Wissenschaft je gelingen, die allgemeinen Gesetze zu finden, durch die und mit deren Interpretation die positive Magie schließlich wirksam wird?«
    »Ja, das ist wahr«, sagte ich betroffen, »wie kann ihr das je gelingen?«
    »Ich weiß es auch nicht mehr. Ich habe in Oxford zu viele Diskussionen geführt mit meinem alten Freund William von Ockham, der nun in Avignon ist. Er hat mir Zweifel ins Herz gesät. Wenn nämlich allein die Intuition des Individuellen die richtige ist, dann lässt sich der Satz, dass gleiche Ursachen gleiche Wirkungen zeitigen, kaum noch beweisen. Ein und derselbe Körper kann warm oder kalt, süß oder bitter, feucht oder trocken, an einem bestimmten Ort sein und an einem anderen nicht. Wie kann ich den universalen Zusammenhang aufdecken, der die Dinge in eine Ordnung versetzt, wenn ich nicht einmal meinen kleinen Finger zu rühren vermag, ohne dadurch eine Unzahl neuer Gegebenheiten zu schaffen, da sich mit dieser winzigen Bewegung sämtliche Relationen zwischen meinem Finger und allen anderen Objekten verschieben? Die Relationen sind die Modi, in denen mein Geist das Verhältnis zwischen den einzelnen Gegebenheiten wahrnimmt, aber was garantiert mir, dass der Modus dann universal, allgemeingültig und stabil ist?«
    »Aber Ihr wisst doch, dass einer bestimmten Form dieser Linse eine bestimmte Sehfähigkeit entspricht, und weil Ihr das wisst, könnt Ihr Linsen von ebenderselben Art anfertigen, wie Ihr sie verloren habt. Wie sonst wäre Euch das möglich?«
    »Eine gute Antwort, Adson. In der Tat habe ich den Satz aufgestellt, dass einer gleichen Form der Linse eine gleiche Sehfähigkeit entsprechen muss. Ich habe ihn aufgestellt, weil ich früher, bei anderen Gelegenheiten, individuelle Intuitionen der gleichen Art gehabt hatte. Zweifellos weiß jeder, der die Heilkraft der Kräuter experimentell untersucht, dass alle einzelnen Exemplare eines bestimmten Krautes, wenn sie in gleicher Weise verabreicht werden, beim Patienten die gleiche Wirkung zeitigen, und so kann der Experimentator den Satz aufstellen, dass jedes Individuum einer bestimmten Pflanze dem Fiebernden Linderung verschafft, oder dass jede Linse dieser besonderen Form in gleicher Weise die Sehkraft der Augen verstärkt. Die Wissenschaft, von der Roger

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