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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Geheimbotschaft tatsächlich einen Sinn.«
    Er zeigte mir das Pergament, auf dem er die rätselhafte Botschaft in große lateinische Lettern transkribiert hatte, und ich las:
     
    SECRETUM FINIS AFRICAE MANUS SUPRA IDOLUM
    AGE PRIMUM ET SEPTIMUM DE QUATUOR.
     
    »Klar?« fragte William.
    »Die Hand über dem Idol wirke ein auf den Ersten und Siebenten der Vier...«, wiederholte ich kopfschüttelnd. »Nein, das ist überhaupt nicht klar!«
    »Ich weiß. Zunächst einmal müsste man wissen, was Venantius mit Idolum gemeint hat. Ein Bild, eine Vorstellung, eine Figur? Dann wäre zu klären, was jene Vier sind, die einen Ersten und einen Siebenten haben. Und was heißt schließlich ›auf sie einwirken‹? Sie bewegen, drücken, ziehen?«
    »Also wissen wir eigentlich gar nichts und sind so klug wie zuvor«, sagte ich enttäuscht. William blieb stehen und sah mir mit einer Miene, die alles andere als gütig war, ins Gesicht. »Mein liebes Bürschchen«, sagte er streng, »vor dir steht ein armer Franziskanermönch, der es mit seinen bescheidenen Kenntnissen und dem bisschen Geschicklichkeit, das er der grenzenlosen Gnade des Herrn verdankt, in wenigen Stunden geschafft hat, eine Geheimschrift zu entziffern, die ihr Erfinder gewiss als völlig hermetisch und unzugänglich für jedes andere Auge betrachtet hatte, und du elender, ungebildeter Nichtsnutz erlaubst dir einfach zu sagen, wir seien so klug wie zuvor?«
    Die Schamröte schoss mir ins Gesicht, und ich entschuldigte mich überstürzt. Ich hatte die Eitelkeit meines klugen Meisters verletzt, dabei wusste ich doch genau, wie stolz er auf die Schnelligkeit und Treffsicherheit seiner Deduktionen war. William hatte tatsächlich eine bewundernswerte Leistung vollbracht, und es war wirklich nicht seine Schuld, dass der gewiefte Venantius seine Entdeckung nicht nur unter einem obskuren Tierkreiszeichenalphabet versteckt, sondern überdies auch noch in ein unlösbares Rätsel gekleidet hatte.
    »Lass nur, hör auf, dich zu entschuldigen«, unterbrach William meinen Redeschwall. »Im Grunde hast du ja recht, wir wissen noch viel zu wenig. Komm jetzt, der Abt wartet.«

 
     
    Dritter Tag
VESPER
    Worin William ein weiteres Gespräch mit dem Abt führt, einige recht wunderliche Ideen zur Orientierung im Labyrinth entwickelt und schließlich das Rätsel auf die vernünftigste Weise löst. Dann wird der Kaasschmarrn gegessen.
     
    D er Abt erwartete uns mit besorgter Miene. Er hielt einen Brief in der Hand.
    »Ich habe ein Schreiben vom Abt in Conques erhalten«, begann er sogleich. »Er teilt mir mit, wem der Papst das Kommando über die französischen Bogenschützen und die Sorge für die Sicherheit seiner Legaten anvertraut hat: Es ist weder ein Kriegsmann noch einer des Hofes, und er wird gleichzeitig Mitglied der pontifikalen Legation sein.«
    »Ungewöhnliche Mischung verschiedener Tugenden«, sagte William. »Wer ist es denn?«
    »Bernard Gui.«
    William fuhr auf wie von der Tarantel gestochen und stieß einen heftigen Ausruf in seiner Muttersprache hervor, den weder ich noch der Abt verstanden – was vielleicht auch besser für alle war, denn das kurze Wort, das William da ausrief, zischte recht unanständig.
    »Das gefällt mir gar nicht«, fügte er rasch hinzu. »Bernard Gui war jahrelang die Geißel der Ketzer in Okzitanien, er hat sogar eine Practica officii inquisitionis heretice pravitatis geschrieben, ein Handbuch für alle, die sich bemüßigt fühlen, Waldenser, Beginen, Freigeister, Fratizellen und Dolcinianer zu jagen.«
    »Ich weiß, ich kenne das Buch«, nickte der Abt. »Bewundernswert in seiner Stringenz.«
    »Bewundernswert in seiner Stringenz«, gab William zu. »Bernard ist dem Papst ergeben wie keiner, er war in den letzten Jahren mehrfach als Inquisitor in besonderer Mission nach Flandern und hierher nach Oberitalien geschickt worden, und auch nach seiner Ernennung zum Bischof in Galizien hat er sich niemals in seiner Diözese blicken lassen, sondern mit unverminderter Schärfe seine Ketzerjagd fortgesetzt. Ich dachte allerdings, er hätte sich jetzt ins Bistum Lodève zurückgezogen, aber wie es aussieht, schickt ihn Johannes von Neuem los, und ausgerechnet zu uns nach Oberitalien! Warum gerade ihn, noch dazu ausgestattet mit Befehlsgewalt über Bewaffnete?«
    »Die Antwort liegt auf der Hand«, versetzte der Abt, »und sie bestätigt alle meine Befürchtungen, die ich Euch gestern anvertraut habe. Ihr wisst sehr wohl, Bruder William, auch wenn

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