Die historischen Romane
geändert hätten, sie könnte uns also an jedem Punkt zeigen, wie es weitergeht.«
»Das wäre wunderbar. Aber dazu müssten wir diese Maschine erst einmal haben, und sie müsste imstande sein, den Norden auch bei Nacht und in geschlossenen Räumen zu finden, ohne sich an den Sternen oder der Sonne zu orientieren... Und nicht einmal Euer Roger Bacon wird eine solche Wundermaschine besessen haben«, sagte ich spöttisch.
»Da irrst du«, erwiderte William, »eine solche Maschine ist tatsächlich konstruiert worden, und einige Seefahrer haben sie auch schon benutzt. Sie braucht weder die Sterne noch die Sonne, denn sie macht sich die Kraft eines wunderbaren Steins zunutze: eines Steins, der Eisen anzieht, wie jener, den wir in Severins Laboratorium gesehen haben. Bacon hat diesen Stein studiert, und ein picardischer Magier namens Pierre de Maricourt, auch Petrus Peregrinus genannt, hat seine vielfältigen Gebrauchsmöglichkeiten beschrieben.«
»Und Ihr könntet mit ihm solch eine Maschine bauen?«
»An sich wäre das gar nicht so schwer. Der Stein kann zur Herstellung vieler Wunderdinge benutzt werden, unter anderem zur Konstruktion einer Maschine, die sich unablässig bewegt ohne äußeren Antrieb, doch die einfachste Anwendungsweise ist auch von einem Araber namens Baylek Al-Qabayaki beschrieben worden. Nimm eine Schale voll Wasser und setz darauf einen Korken, in welchen du eine eiserne Nadel eingeführt hast. Dann fahre mit dem Magnetstein in kreisender Bewegung über die Wasseroberfläche, bis die Nadel dieselben Eigenschaften wie der Stein angenommen hat. Nun wird die Nadel (doch auch der Stein hätte es getan, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, sich um einen Zapfen zu drehen) ihre Spitze nach Norden ausrichten, und wenn du dich mit der Schale bewegst, wird sie immerfort weiter nach Norden zeigen. Und selbstredend wirst du nun, wenn du am Rand der Schale auch noch die Richtungen der vier Winde entsprechend markiert hast, jederzeit wissen, wohin du dich in der Bibliothek zu wenden hast, um den Ostturm zu erreichen.«
»Ein wahres Wunderding!« rief ich aus. »Aber sagt mir, warum zeigt die Nadel immer nach Norden? Der Stein zieht Eisen an, das habe ich gesehen, und ich kann mir denken, dass eine gewaltige Eisenmenge den Stein anzieht. Doch dann... dann müsste es unter dem Nordstern, an den äußersten Grenzen der Erde, riesige Eisenberge geben!«
»Manche haben tatsächlich so etwas vermutet. Allerdings zeigt die Nadel nicht genau zum Nordstern, sondern zu jenem Punkt, wo sich die Himmelsmeridiane treffen. Weshalb man zu Recht gesagt hat: hic lapis g erit in se similitudinem coeli, denn offensichtlich empfangen die Pole des Magneten ihre Inklination von den Polen des Himmels und nicht von denen der Erde. Womit wir ein schönes Beispiel für eine Bewegung haben, die aus der Ferne induziert und nicht durch eine direkte materiale Kausalität verursacht wird – ein Problem, mit welchem sich mein Freund Johannes von Jandun befasst, wenn der Kaiser ihn nicht gerade bittet, Avignon in den Orkus zu stampfen...«
»Also gehen wir rasch und holen uns Severins Stein und eine Schale und Wasser und einen Korken...«, rief ich voller Eifer.
»Langsam, langsam«, dämpfte William meinen Tatendrang. »Ich weiß nicht warum, aber ich habe noch nie erlebt, dass eine Maschine, die in den Schriften der Philosophen perfekt beschrieben wird, dann in der Praxis auch genauso perfekt funktioniert (während die schlichte Sense des Landmanns, die kein Philosoph je beschrieben hat, stets bestens funktioniert...). Ich fürchte, wenn wir beide im Labyrinth herumlaufen, in der einen Hand eine Lampe und in der anderen eine Schale voll Wasser... Warte mal, mir kommt da eine andere Idee. Die Maschine zeigt immer nach Norden, auch außerhalb des Labyrinths, nicht wahr?«
»Ja, aber außerhalb des Labyrinths brauchen wir sie nicht, da haben wir die Sterne und die Sonne...«
»Sicher, sicher. Aber wenn die Maschine draußen so gut wie drinnen funktioniert, warum dann nicht auch unser Kopf?«
»Unser Kopf? Gewiss funktioniert er auch draußen, und von draußen erkennen wir die Orientierung des Aedificiums in der Tat leicht, nur eben drinnen finden wir uns dann nicht mehr zurecht!«
»Genau. Aber vergiss jetzt die Maschine. Das Nachdenken über sie hat mich zum Nachdenken über die Gesetze der Natur und unseres Denkens gebracht. Und jetzt weiß ich, worum es geht: Wir müssen eine Möglichkeit finden, von außen zu beschreiben, wie
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