Die historischen Romane
jetzt, während ich dies schreibe, erinnere ich mich, dass Le Juif, le judaïsme et la judaïsation des peuples chrétiens 1869 mit fast 600 engbedruckten Seiten erschienen ist, den Segen von Pius IX. bekam und ein großer Publikumserfolg wurde. Aber damals hatte ich den Eindruck, dass schon überall dünne und dicke antijüdische Bücher veröffentlicht wurden, und der riet mir zu selektivem Vorgehen.
In meinem Prager Friedhof mussten die Rabbiner etwas Leichtverständliches sagen, etwas, das populär klang und gleichzeitig irgendwie neu war, nicht wie der rituelle Kindermord, von dem man vor Jahrhunderten gesprochen hatte und an den die Leute inzwischen nur noch so glaubten wie an die Hexen, gerade genug, um ihren Kindern nicht zu erlauben, sich in der Nähe von Ghettos herumzutreiben.
So nahm ich meinen Bericht über die schaurigen Dinge in jener schicksalhaften Nacht wieder auf. Als erste sprach die dreizehnte Stimme:
»Unsere Väter haben den Erwählten Israels die Pflicht auferlegt, sich alle hundert Jahre am Grabe des heiligen Rabbi Simeon Ben Jehuda zu versammeln. Seit achtzehnhundert Jahren führt das Volk Israel den Kampf um die Herrschaft, die das Kreuz uns entrissen hat. Unter den Sohlen unserer Feinde, unter Druck und Tod und Bedrängnis jeder Art hat Israel niemals diesen Kampf aufgegeben, und weil das Volk Abrahams zerstreut worden ist über die ganze Erde, wird die ganze Erde auch ihm gehören! Unser ist seit den Zeiten Aarons das goldene Kalb.«
»Ja«, stimmte Rabbi Isaschar zu, »wenn alles Gold der Erde unser ist, ist auch alle Macht unser.«
»Zum zehnten Mal«, sprach die dreizehnte Stimme weiter, »nach tausend Jahren unaufhörlichen Kampfes gegen unsere Feinde, versammeln sich auf diesem Friedhof um das Grab unseres Rabbi Simeon Ben Jehuda die Erwählten aller Stämme des Volkes Israel. Doch in keinem Jahrhundert zuvor war es unseren Ahnen vergönnt gewesen, soviel Gold und mithin soviel Macht in ihren Händen zu konzentrieren. In Paris, in London, in Wien, in Berlin, in Amsterdam, in Hamburg, in Rom, in Neapel und bei allen Rothschilds sind die Israeliten die Herren der Finanzsituation… Sprich du, Rabbi Ruben, du kennst die Lage in Paris.«
»Alle Kaiser, Könige und regierenden Fürsten«, sagte nun Ruben, »sind heute verschuldet aufgrund der Kredite, die sie bei uns aufgenommen haben, um ihre Heere zu unterhalten und ihre schwankenden Throne zu stützen. Deshalb müssen wir den Regierungen das Schuldenmachen erleichtern, um die Staaten immer mehr in unsere Hand zu bekommen, und als Pfand zur Sicherung des Kapitals, mit dem wir sie versorgen, müssen wir ihre Eisenbahnen, ihre Bergwerke, ihre Hochöfen und Fabriken in Besitz nehmen, dazu auch andere Immobilien und die Verwaltung der Steuern.«
»Vergessen wir nicht die Land- und Forstwirtschaft«, schaltete Simeon von Rom sich ein, »die immer der unverwüstliche Reichtum jedes Landes bleiben wird. Der Großgrundbesitz bleibt scheinbar unangetastet, aber wenn wir die Regierungen dazu bringen, die großen Besitztümer zu zerkleinern, werden wir sie leichter in die Hände bekommen.«
Nun ergriff Rabbi Juda aus Amsterdam das Wort: »Aber viele unserer Brüder in Israel treten über und lassen sich christlich taufen…«
»Das macht nichts«, versetzte die dreizehnte Stimme, »die Getauften können uns trefflich helfen. Trotz der Taufe ihres Körpers bleiben ihr Geist und ihre Seele Israel treu. In einem Jahrhundert werden nicht mehr die Kinder Israels zum Christentum übertreten wollen, sondern viele Christen um Aufnahme in unsere Glaubensgemeinschaft bitten. Und dann wird Israel sie verächtlich abweisen.«
»Aber bedenken wir bitte«, sagte Rabbi Levi, »dass die christliche Kirche unser natürlicher Gegner ist. Deshalb gilt es sie zu untergraben. Wir müssen in ihr die Freigeisterei befördern, den Zweifel, den Unglauben, die Verdächtigung und Verspottung ihrer Priester.«
»Ja, verbreiten wir die Idee des Fortschritts, deren Folge die Gleichberechtigung aller Religionen ist«, ergänzte Rabbi Manasse, »kämpfen wir dafür, dass in den Schulen der christliche Religionsunterricht abgeschafft wird. Dann können die Israeliten mit ihrem Geschick und ihrem Eifer ohne weiteres Lehrer an allen Schulen werden, die religiöse Erziehung wird auf das Haus beschränkt, und da in den meisten Familien die Zeit zur Überwachung dieses Teils der Erziehung fehlt, wird die Religiosität bald ganz aufhören.«
Nun war Rabbi Dan aus
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