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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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solchen Fällen sagt), und der Friedhof kehrt zurück zu seiner gespenstisch blutarmen Melancholie.
     
    Also Dumas, Sue, Joly, Toussenel. Was noch fehlte – abgesehen von der Meisterschaft des Abbé Barruel, meinem geistigen Führer in dieser ganzen Rekonstruktion –, war der Gesichtspunkt eines glühenden Katholiken. Und genau in diesen Tagen hatte mir Lagrange, um mich zur Beschleunigung meiner Kontaktaufnahme mit der Alliance Israélite Universelle zu drängen, einen gewissen Chevalier Gougenot des Mousseaux 9 genannt. Der wisse etwas darüber, er sei ein konservativer katholischer Journalist, der sich bisher mit Magie, dämonischen Praktiken, Geheimgesellschaften und der Freimaurerei beschäftigt habe.
    »Soweit wir wissen, beendet er gerade ein Buch über die Juden und die Judaisierung der christlichen Völker«, sagte Lagrange, »ich weiß nicht, ob Sie verstehen, was ich meine. Es könnte Ihnen nützen, sich mit ihm zu treffen, um interessantes Material für unsere russischen Freunde zu sammeln. Uns würde es nützen, Genaueres über seine weiteren Pläne zu wissen, denn wir sähen es nicht gerne, wenn die guten Beziehungen zwischen unserer Regierung, der Kirche und den Kreisen der jüdischen Hochfinanz sich trüben würden. Sie könnten sich ihm als ein Kollege vorstellen, der über jüdische Dinge forscht und seine Arbeiten bewundert. Einführen könnte Sie ein gewisser Abbé Dalla Piccola, der uns schon mehrmals gute Dienste geleistet hat.«
    »Aber ich kann kein Hebräisch«, sagte ich.
    »Und wer sagt, dass Gougenot es kann? Um jemanden zu hassen, muss man nicht seine Sprache sprechen können.«
     
    Jetzt (auf einmal!) erinnere ich mich an meine erste Begegnung mit dem Abbé Dalla Piccola. Ich sehe ihn vor mir, als wäre es heute. Und dabei sehe ich, dass er alles andere als ein Doppelgänger oder Alter ego von mir ist, denn er muss mindestens sechzig Jahre alt sein, ist leicht bucklig, schielt und hat schiefe, vorstehende Zähne. Der Abbé Quasimodo, sagte ich mir, als ich ihn das erste Mal sah. Obendrein hatte er auch noch einen deutschen Akzent. Von jener ersten Begegnung weiß ich nur noch, dass Dalla Piccola mir zu verstehen gab, man müsse nicht nur die Juden im Visier behalten, sondern auch die Freimaurer, denn letztlich handle es sich immer um ein und dieselbe Verschwörung. Ich war der Ansicht, dass man nicht an mehr als einer Front kämpfen sollte, und verschob das Thema auf später, aber aus einigen Hinweisen des Abbé entnahm ich, dass Nachrichten über Freimaurerversammlungen die Jesuiten interessieren würden, da die Kirche sich gerade anschickte, einen heftigen Schlag gegen den Aussatz der Freimaurerei zu führen.
    »Jedenfalls«, hatte Dalla Piccola das Gespräch beendet, »sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Kontakt mit diesen Kreisen aufnehmen wollen. Ich bin Bruder in einer Pariser Loge und habe dort viele gute Bekannte.«
    »Sie, ein Priester?« staunte ich, und Dalla Piccola lächelte: »Wenn Sie wüssten, wie viele Priester Freimaurer sind…«
     
    Zuvor aber hatte ich ein Gespräch mit dem Chevalier Gougenot des Mousseaux. Er war ein schon etwas debil wirkender Herr Anfang sechzig, sehr überzeugt von den wenigen Ideen, die er hatte, und nur daran interessiert, die Existenz von Dämonen und Magiern zu beweisen, dazu von Hexen und Hexenmeistern, Spiritisten, Mesmeristen, Juden, götzendienerischen Priestern und sogar »Elektrizisten«, die sich auf eine Art Lebensprinzip beriefen.
    Er redete wie ein Wasserfall und begann bei Adam und Eva. Schicksalsergeben hörte ich mir an, was er über Moses zu sagen hatte, über die Pharisäer, über den Großen Sanhedrin, über den Talmud und so weiter, aber zwischendurch bot er mir einen exzellenten Cognac an und ließ die Flasche achtlos auf dem Tischchen neben mir stehen, und so konnte ich es ertragen.
    Er enthüllte mir, dass der Prozentsatz der Dirnen bei den Juden höher sei als bei den Christen (wusste man das nicht schon aus den Evangelien, fragte ich mich, wo Jesus doch immer nur Sünderinnen begegnet?), dann ging er dazu über, mir zu beweisen, dass es in der talmudischen Moral keinen Nächsten gebe, auch keine Erwähnung der Pflichten, die wir ihnen gegenüber hätten, was erkläre und auf seine Weise rechtfertige, warum die Juden so mitleidlos Familien ruinieren, Mädchen entehren, Witwen und Greise aufs Pflaster werfen, nachdem sie ihnen mit ihren Wucherzinsen das Blut ausgesogen haben. Und wie die Zahl der Prostituierten sei auch

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