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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ist.«
    »Sie sind übertrieben misstrauisch. Also gut, bestellen Sie sich noch ein oder zwei Bier und geben Sie mir eine Stunde Zeit, damit ich diesen Text abschreiben kann. Sie sagten ja selbst, dass die Aussagen, die er enthält, soviel taugen, wie sie eben taugen, und wenn ich Sie betrügen wollte, würde es genügen, mir den Inhalt gut einzuprägen, denn ich kann Ihnen versichern, ich behalte das, was ich gelesen habe, fast Wort für Wort in Erinnerung. Aber ich möchte den Text Herrn Stieber vorlegen. Und darum lassen Sie mich ihn rasch abschreiben. Das Original ist mit Ihnen hier hereingekommen und wird dieses Lokal auch mit Ihnen wieder verlassen.«
    Dagegen konnte ich nichts einwenden. So erniedrigte ich meinen Gaumen mit einem von diesen scheußlichen teutonischen Würstchen, trank viel Bier und muss sagen, manchmal kann deutsches Bier so gut wie das französische sein, und wartete geduldig, bis Goedsche alles säuberlich abgeschrieben hatte.
    Wir verabschiedeten uns kühl. Er gab mir zu verstehen, dass wir uns die Rechnung teilen sollten, hatte sogar ausgerechnet, dass ich einige Biere mehr als er getrunken hatte, versprach mir, sich in ein paar Wochen bei mir zu melden, und ließ mich sprachlos zurück – sprachlos und schäumend vor Wut über diese lange vergebliche Reise auf eigene Kosten und ohne einen Taler des schon mit Dimitri ausgehandelten Honorars gesehen zu haben.
    Was bin ich doch für ein Dummkopf, sagte ich mir, Dimitri wusste natürlich, dass Stieber nicht zahlen würde, und hatte sich meinen Text einfach für die Hälfte des Preises gesichert. Lagrange hatte recht gehabt, einem Russen darf man nicht trauen. Vielleicht hatte ich aber auch einfach zuviel verlangt und sollte zufrieden sein, immerhin die Hälfte bekommen zu haben.
    Inzwischen war ich überzeugt, dass die Deutschen sich nie wieder bei mir melden würden, und tatsächlich vergingen mehrere Monate, ohne dass ich irgendetwas von ihnen hörte. Als ich Lagrange von meinem Ärger erzählte, sagte er mit nachsichtigem Lächeln: »Das sind die Ungewissheiten unseres Metiers, wir haben es nicht mit Heiligen zu tun.«
    Aber die Sache ließ mich nicht ruhen. Meine Geschichte vom Friedhof in Prag war viel zu gut ausgedacht, um ungenutzt irgendwo in Sibirien zu enden. Ich könnte sie an die Jesuiten verkaufen. Schließlich waren die ersten richtigen Anklagen gegen die Juden und die ersten Hinweise auf ihre internationale Verschwörung von einem Jesuiten wie Barruel gekommen, und der Brief meines Großvaters musste auch anderen Mitgliedern des Ordens aufgefallen sein.
    Der einzige, der mir als mögliches Bindeglied zu den Jesuiten einfiel, war der Abbé Dalla Piccola. Lagrange hatte mich mit ihm in Kontakt gebracht, also wandte ich mich an Lagrange. Er versprach mir, ihn wissen zu lassen, dass ich ihn suchte. Und tatsächlich erschien der Abbé nach einiger Zeit in meinem Laden. Ich zeigte ihm meine Ware, wie es sich in der Welt des Handels gehört, und er schien interessiert.
    »Natürlich muss ich Ihr Dokument zuerst prüfen«, sagte er, »und dann jemandem in der Gesellschaft Jesu davon erzählen, denn das sind keine Leute, die so etwas blind kaufen. Ich hoffe, Sie vertrauen mir und überlassen mir das Dokument für ein paar Tage. Ich werde es nicht aus den Händen geben.«
    Einem würdigen Kirchenmann vertraute ich gerne.
     
    Eine Woche später erschien Dalla Piccola wieder im Laden. Ich bat ihn hinauf ins Studio und wollte ihm etwas zu trinken anbieten, aber er machte keine freundliche Miene.
     
     
     
    »Simonini«, sagte er, »Sie halten mich wohl für blöd. Sie waren im Begriff, mich als Fälscher dastehen zu lassen vor den Patres der Gesellschaft Jesu, mit denen ich im Laufe der Jahre ein Netz von guten Beziehungen geknüpft hatte, das nun zu zerreißen droht!«
    »Monsier l’Abbé, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen…«
    »Hören Sie auf, ihr Spiel mit mir zu treiben. Sie haben mir dieses angeblich geheime Dokument gegeben«, er warf meinen Bericht über den Friedhof in Prag auf den Tisch, »ich wollte gerade einen sehr hohen Preis dafür verlangen, da schauen mich die Jesuiten wie einen Tölpel an und weisen mich freundlich darauf hin, dass mein so streng gehütetes Dokument bereits als Fiktion erschienen ist, nämlich in einem Roman namens Biarritz von einem gewissen Sir John Retcliffe. Hier, manche Passagen fast genau gleich, Wort für Wort!« Er warf ein Buch auf den Tisch neben meinen Bericht. »Offensichtlich können

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