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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Generäle – und natürlich auch über das garibaldinische Lager. Aber da in seinen Kreisen für Informationen bezahlt wird, hielt ich es nicht für angebracht, ihm gratis interessante Dinge über die Entwicklung in Italien zu erzählen. Außerdem war es besser, über das, was ich wusste, zu schweigen.
    Der Mann war sowieso auf dem falschen Dampfer, sagte ich mir. Man darf niemals eine Gefahr mit tausend Gesichtern an die Wand malen, die Gefahr muss eindeutig klar und erkennbar sein, ein einziges Gesicht haben, damit die Leute wissen, woran sie sind, sonst verlaufen sie sich in alle Richtungen. Wenn du die Juden anprangern willst, dann sprich von den Juden und lass die Iren, die neapolitanischen Fürsten, die piemontesischen Generäle, die polnischen Patrioten und die russischen Nihilisten, wo sie sind. Zuviel Holz fürs Feuer. Wie kann man all diesen Spuren folgen? Zumal ja außerhalb dieses Romans das ganze Denken Goedsches ausschließlich und allein um die Juden zu kreisen schien, was umso besser für mich war, da ich ihm ja ein kostbares Dokument über die Juden anbieten wollte.
    Tatsächlich erklärte er mir, dass er seinen Roman nicht wegen des Geldes oder anderer Hoffnungen auf irdischen Ruhm schreibe, sondern um die deutsche Rasse von der jüdischen Hinterlist zu befreien.
    »Man muss zurückgehen bis auf das, was Martin Luther über die Juden gesagt hat: Ein solch bis ins Mark ›durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding‹ sei es um diese Juden, jahrhundertelang seien sie ›unsere Plage, Pestilenz und Unglück gewesen und sind es noch‹. Sie seien, so Luthers Worte, ›giftige, bittere, rachgierige Schlangen, Meuchelmörder und Teufelskinder, die heimlich stechen und Schaden tun, weil sie es öffentlich nicht vermögen‹. Ihnen gegenüber sei die einzig angemessene Therapie eine scharfe Barmherzigkeit« – das konnte ich mir nicht übersetzen, begriff aber, dass es wörtlich verstanden eine aspra misericordia war, doch eigentlich meinte Luther wohl einfach Unbarmherzigkeit. »Ihre Synagogen müsse man in Brand stecken«, fuhr Goedsche fort, Luther zu zitieren, »und was nicht brennen wolle mit Erde überhäufen, so dass kein Mensch mehr einen Stein davon sehe, ihre Häuser müsse man zerstören und sie in einen Stall jagen wie die Zigeuner, ihre talmudischen Texte müsse man ihnen wegnehmen, aus denen sie nur Lügen, Fluch und Lästerung lernten, den Wucher müsse man ihnen verbieten und alles nehmen, was sie an Gold, Barschaft und Kleinodien besitzen, den jungen Juden müsse man Axt und Spaten in die Hand drücken, den jungen Jüdinnen Rocken und Spindel, denn« – so kommentierte Goedsche grinsend – Arbeit macht frei . Die Endlösung wäre für Luther gewesen, die Juden wie tolle Hunde aus dem Lande zu jagen.
    »Man hat nicht auf Luther gehört«, schloss Goedsche, »jedenfalls bisher nicht. Das liegt daran, dass zwar seit der Antike die nichteuropäischen Völker als hässlich angesehen wurden – nehmen Sie bloß die Neger, die noch heute zu Recht als Tiere gelten –, aber dass noch kein sicheres Kriterium definiert worden war, um die höheren Rassen zu erkennen. Heute wissen wir, dass die höchste Stufe der Menschheit mit der weißen Rasse erreicht ist und dass die höchste Form der weißen Rasse die germanische ist. Aber durch die Präsenz der Juden wird die Reinheit dieser Rasse ständig bedroht. Denken Sie nur an eine griechische Statue, welche Reinheit der Züge, welche Anmut und Eleganz der Gestalt, nicht zufällig wurde diese Schönheit mit Tugend gleichgesetzt, wer schön war, war auch gut, wie es auch bei den großen Helden unserer teutonischen Mythen der Fall war. Nun stellen Sie sich vor, diese Apolls würden durch semitische Züge entstellt, mit dunklerem Teint, finsteren Augen, krummer Nase, gedrungenem Körper. Für Homer waren dies die charakteristischen Merkmale des Thersites, der personifizierten Gemeinheit. Die christliche Legende, in der noch jüdische Elemente mitschwingen – schließlich hat Paulus sie begründet, ein asiatischer Jude, heute würden wir sagen: ein Türke –, hat uns eingeredet, alle Rassen gingen auf Adam zurück. Nein, nach der Trennung vom Urtier haben die Menschen verschiedene Wege eingeschlagen. Wir müssen an den Punkt zurückgehen, wo sich die Wege getrennt haben, also an den wahren nationalen Ursprung unseres Volkes, der nichts zu tun hat mit den Phantastereien der französischen lumières und ihrem Kosmopolitismus, ihrer égalité und ihrer

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