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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Sie deutsch und haben diesen kürzlich erschienenen Roman gelesen. Sie haben die Geschichte von dieser nächtlichen Versammlung auf dem Friedhof in Prag gefunden, sie hat Ihnen gefallen, und Sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, eine Erfindung als Realität zu verkaufen. Und mit der Schamlosigkeit des Plagiators haben Sie darauf vertraut, dass diesseits des Rheins niemand deutsch lesen kann…«
    »Hören Sie, ich glaube zu verstehen…«
    »Da gibt es nicht viel zu verstehen. Ich hätte dieses Altpapier in den Müll werfen und Sie zum Teufel schicken können, aber ich bin pedantisch und rachsüchtig. Ich verspreche Ihnen, ich werde Ihre Freunde in den Diensten wissen lassen, was für einer Sie sind und wie sehr man sich auf Ihre Informationen verlassen kann. Warum sage ich Ihnen das jetzt? Nicht aus Loyalität, denn die verdient einer wie Sie nicht, sondern damit Sie wissen, falls die Dienste entscheiden, dass Sie einen Dolchstoß in den Rücken verdienen, wer sie dazu angeregt hat. Es wäre ja müßig, jemanden aus Rache zu töten, wenn der Betreffende nicht weiß, wem er seinen Tod zu verdanken hat, finden Sie nicht?«
    Alles war klar, dieser Schurke von Goedsche – und Lagrange hatte mir ja gesagt, dass er Romane unter dem Pseudonym Retcliffe verfasste – hatte mein Dokument keineswegs diesem Herrn Stieber vorgelegt: Er hatte bemerkt, dass die Sache wunderbar in seinen Roman passte, und da sie auch seinen antijüdischen Furor befriedigte, hatte er sich einer wahren Geschichte bemächtigt (wie er jedenfalls glaubte), um daraus eine Erzählung zu machen – seine. Lagrange hatte mich ja auch schon gewarnt, dass der Gauner sich im Fälschen von Dokumenten hervorgetan habe, und dass nun ausgerechnet ich so naiv in die Falle eines Fälschers gegangen war, machte mich rasend vor Wut.
     
    Doch in die Wut mischte sich auch Angst. Als Dalla Piccola von Dolchstößen in den Rücken sprach, glaubte er vielleicht, in Metaphern zu reden, aber Lagrange war deutlich gewesen: Wird in der Welt der Geheimdienste jemand unbequem, lässt man ihn verschwinden. Man denke nur, ein Mitarbeiter, der öffentlich unglaubwürdig wird, weil er Romankitsch als vertrauliche Information verkauft, und der obendrein riskiert, diese Dienste vor der Gesellschaft Jesu lächerlich zu machen, wer will den noch zwischen den Füßen haben? Ein Messerstich, und weg mit ihm in die Seine.
    Das war’s, was mir der Abbé Dalla Piccola versprach, und es half nichts, dass ich ihm erklärte, wie es wirklich gewesen war, denn er hatte keinerlei Grund, mir zu glauben; er wusste ja nicht, dass ich Goedsche das Dokument gegeben hatte, bevor der infame Kerl mit seinem Roman fertig war, er wusste nur, dass ich es ihm, dem Abbé, gegeben hatte, nachdem Goedsches Roman erschienen war.
    Ich saß in einer Klemme, aus der es keinen Ausweg gab.
    Es sei denn, ich würde Dalla Piccola am Reden hindern.
     
    Ich handelte quasi instinktiv. Auf meinem Schreibtisch steht ein schwerer schmiedeeiserner Kerzenständer, den ergriff ich und stieß Dalla Piccola an die Wand. Er riss die Augen auf und rief erschrocken: »Sie werden mich doch nicht umbringen…«
    »Doch, tut mir leid«, erwiderte ich.
    Und es tat mir wirklich leid, aber man muss aus der Not eine Tugend machen. Ich schlug zu. Der Abbé stürzte zu Boden, und Blut quoll zwischen seinen vorstehenden Zähnen hervor. Ich betrachtete seine Leiche, ohne mich im mindesten schuldig zu fühlen. Er hatte es so gewollt.
    Jetzt musste ich diese lästige Leiche nur noch irgendwie loswerden.
     
    Als ich den Laden und die Wohnung im ersten Stock gekauft hatte, war der Vorbesitzer mit mir in den Keller gegangen und hatte mir eine Falltür gezeigt, die sich dort im Boden öffnete.
    »Da werden Sie ein paar Stufen finden«, hatte er gesagt, »und am Anfang werden Sie nicht den Mut haben, da hinunterzusteigen, denn Sie werden fürchten, dass der große Gestank Sie ohnmächtig werden lässt. Aber manchmal wird es notwendig sein. Sie sind Ausländer und kennen vielleicht nicht die ganze Geschichte. Früher wurden die Abfälle hier einfach auf die Straße geworfen, es gab sogar ein Gesetz, das vorschrieb, ›Achtung, Wasser!‹ zu rufen, bevor man seine Notdurft aus dem Fenster kippte, aber es machte zuviel Mühe, man kippte den Nachttopf einfach aus, und wer gerade unten vorbeikam, hatte eben Pech gehabt. Dann sind in den Straßen offene Kanäle angelegt worden und schließlich hat man die Abwasserleitungen unter die Erde

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