Die historischen Romane
schloss Taxil, »ich gestehe Ihnen, dass ich einen Kindesmord begangen habe: Der Palladismus ist mausetot. Sein Vater hat ihn soeben ermordet.«
Der Tumult erreichte den Gipfel. Abbé Garnier stieg auf einen Stuhl und versuchte den Anwesenden eine Rede zu halten, aber seine Stimme ging im Gelächter der einen und im Wutgeheul der anderen unter. Taxil blieb auf dem Podium stehen, von wo er gesprochen hatte, und betrachtete stolz die tobende Menge. Es war sein Moment des Ruhmes. Wenn er als König der Flunkerer gekrönt werden wollte, hatte er sein Ziel erreicht.
Stolz und mit gespieltem Unverständnis sah er auf diejenigen hinunter, die sich fäusteschüttelnd oder stockschwingend vor ihm drängten und schrien: »Schämen Sie sich nicht?« Worüber sollte er sich schämen? Darüber, dass alle von ihm sprachen?
Wer sich jedoch am meisten amüsierte, war Simonini, der daran dachte, was Taxil in den nächsten Tagen erwartete.
Der Gute würde den Abbé Dalla Piccola suchen, um sein Geld zu bekommen. Wenn er nach Auteuil ginge, würde er ein verlassenes oder vielleicht schon von anderen bewohntes Haus vorfinden. Er hatte nie erfahren, dass Dalla Piccola eine Adresse in der Rue Maître-Albert besaß. Er wusste nicht, wo er den Notar Fournier finden könnte, und es war ihm auch nie in den Sinn gekommen, ihn mit demjenigen in Verbindung zu bringen, der ihm vor vielen Jahren den Brief von Victor Hugo gefälscht hatte. Boullan würde unauffindbar sein. Er hatte nie erfahren, dass Hébuterne, den er vage als hohen Würdenträger der Freimaurer kannte, etwas mit seiner Geschichte zu tun hatte, und von Pater Bergamaschis Existenz wusste er nichts. Mit einem Wort, Taxil würde nicht wissen, von wem er sich seine Belohnung holen sollte, die Simonini infolgedessen nicht nur zur Hälfte, sondern zur Gänze einsteckte (leider abzüglich der fünftausend Francs Vorschuss).
Es war ergötzlich, sich den armen Gauner vorzustellen, wie er durch Paris lief auf der Suche nach einem Abbé und einem Notar, die nie existiert hatten, nach einem Satanisten und einer Palladistin, deren Leichen in einer unbekannten Kloake lagen, nach einem Dr. Bataille, der, selbst wenn er ihn nüchtern wiedergefunden hätte, ihm nichts hätte sagen können, und nach einem Bündel Franc-Scheine, das in unbefugten Taschen gelandet war. Geschmäht von den Katholiken, argwöhnisch von den Freimaurern betrachtet, die eine neue Kehrtwende fürchten mussten, vielleicht auch belastet mit hohen Schulden bei den Druckern, ohne zu wissen, wohin er sein armes verschwitztes Haupt legen sollte.
Aber, fand Simonini, dieser Filou aus Marseille hatte es sich so verdient.
26.
Die Endlösung
10. November 1898
Anderthalb Jahre ist es jetzt her, dass ich mich von Taxil, von Diana und, was am meisten zählt, von Dalla Piccola befreit habe. Wenn ich krank war, bin ich inzwischen geheilt. Dank der Selbsthypnose – oder dank Dr. Froïde. Dennoch habe ich während all dieser Monate unter verschiedenen Ängsten gelitten. Wenn ich gläubig wäre, würde ich sagen, ich hatte Gewissensbisse und fühlte mich gequält. Aber Gewissensbisse worüber und gequält von wem?
Den Abend, an dem ich mich so diebisch darüber gefreut hatte, wie schön es mir gelungen war, Taxil übers Ohr zu hauen, hatte ich in heiterer Stimmung gefeiert. Schade nur, dass ich meinen Triumph nicht mit jemandem teilen konnte, aber ich habe mich daran gewöhnt, mich allein zu befriedigen. Ich ging ins Brébant-Vachette, wie es die einstigen Gäste des Magny taten. Mit dem, was mir das Ende der Taxil-Unternehmung eingebracht hatte, konnte ich mir jetzt alles leisten. Der Maître erkannte mich, aber wichtiger war, dass auch ich ihn erkannte. Er beschrieb mir ausführlich die salade Francilion , die nach den Triumphen des gleichnamigen Stückes von Alexandre Dumas kreiert worden war (aber von Alexandre Dumas Sohn – mein Gott, wie ich altere…). Man lässt Kartoffeln in Brühe kochen, schneidet sie in Stücke und würzt sie, solange sie noch warm sind, mit Salz, Pfeffer, Olivenöl und Orléans-Essig sowie einem halben Glas Weißwein, wenn möglich Château d’Yquem, und gibt feingeschnittene aromatische Kräuter dazu. Gleichzeitig werden in court-bouillon sehr große Muscheln (aber nur ein Drittel der Menge der Kartoffeln) mit einer Selleriestange gekocht. Anschließend vermischt man beides und bedeckt es mit einer feinen Schicht in Champagner gedünsteter Trüffelscheiben. Das alles zwei Stunden vor dem
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