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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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begab er sich nach Auteuil. Große Überraschung der Alten, die ebenfalls fast einem Monat lang weder Diana noch den Abbé gesehen hatte und nicht wusste, was sie dem armen Monsieur Taxil sagen sollte, der so oft vergeblich gekommen war. Er erzählte ihr dieselbe Geschichte: Diana habe ihre Familie wiedergefunden und sei nach Amerika zurückgekehrt. Ein großzügiges Handgeld ließ die Alte verstummen, sie raffte ihre paar Lumpen zusammen und verschwand am Nachmittag.
    Gegen Abend verbrannte Simonini sämtliche Dokumente und sonstigen Spuren der Kumpanei jener Jahre, und danach brachte er einen Koffer mit allen Kleidern und Schmucksachen Dianas als Geschenk zu Gaviali. Ein Lumpensammler fragt nie, woher das Kleid kommt, das ihm in die Hände fällt. Am nächsten Morgen begab sich Simonini zum Besitzer des Hauses in Auteuil, sagte etwas von einer überraschenden Mission in fernen Ländern, kündigte den Mietvertrag und zahlte auch die nächsten sechs Monate, ohne zu diskutieren. Der Besitzer ging mit ihm durchs Haus, um zu prüfen, ob die Möbel und Tapeten in gutem Zustand waren, ließ sich die Schlüssel geben und schloss mit zweimaligem Umdrehen ab.
    Nun ging es nur noch darum, Dalla Piccola »umzubringen« (zum zweiten Mal). Das war rasch getan. Simonini schminkte sich den Priester ab, hängte Perücke und Soutane zurück in den Korridor, und schon war der Abbé Dalla Piccola vom Antlitz der Erde verschwunden. Sicherheitshalber entfernte er auch das Betpult und die frommen Bücher aus dem Appartement und verwandelte sie in seinem Trödlerladen zu Waren für nicht sehr wahrscheinliche Liebhaber solcher Dinge, und so stand ihm nun ein normales Pied-à-terre zur Verfügung, das er für andere Personifizierungen verwenden konnte.
    Von der ganzen Geschichte blieb nichts mehr zurück, außer in den Erinnerungen von Taxil und Bataille. Aber Bataille würde sich nach seinem Verrat bestimmt nicht mehr blicken lassen, und was Taxil betraf, so würde die Geschichte an diesem Nachmittag enden.
     
    Am Nachmittag des 19. April ging Simonini in seinen normalen Kleidern zur Société de Géographie, um sich das Spektakel von Taxils öffentlichem Widerruf anzusehen. Außer Dalla Piccola hatte Taxil nur einen angeblichen Notar Fournier kennengelernt, einen bartlosen Mann mit braunem Haar und zwei Goldzähnen, und den bärtigen Simonini hatte er nur ein einziges Mal gesehen, als er zu ihm gegangen war, um sich die Briefe von Victor Hugo und Louis Blanc fälschen zu lassen, aber das war vor fünfzehn Jahren gewesen, und wahrscheinlich hatte er das Gesicht dieses Schreiberlings längst vergessen. Daher konnte Simonini, der sich für alle Fälle mit einem weißen Bart und einer grüngetönten Brille ausgerüstet hatte, so dass man ihn für ein Mitglied der Geographischen Gesellschaft halten konnte, seelenruhig im Parkett sitzen und das Spektakel genießen.
    Es war ein Ereignis, über das am nächsten Tag alle Zeitungen berichteten. Der Saal war brechend voll von Neugierigen, von Anhängern Diana Vaughans, von Freimauern, von Journalisten, und sogar Delegierte des Erzbischofs und des Apostolischen Nuntius waren gekommen.
    Taxil sprach mit typisch südfranzösischer Keckheit und Eloquenz. Als erstes überraschte er das Publikum, das eine Präsentation Dianas erwartete und eine Bestätigung all dessen, was er in den letzten fünfzehn Jahren veröffentlicht hatte, indem er gegen die katholischen Journalisten polemisierte und den Kern seiner Enthüllungen mit einem »Lieber lachen als weinen, sagt die Weisheit der Völker« ankündigte. Sodann sprach er von seiner Lust am Schwindel (»Man ist nicht ungestraft ein Kind aus Marseille«, rief er zwischen den Lachsalven des Publikums), und um seine Zuhörer davon zu überzeugen, dass er ein großer Flunkerer war, erzählte er überaus launig die Geschichte mit den Haien in der Bucht von Marseille und die mit der versunkenen Stadt im Genfer See. Aber nichts kam an den größten Schwindel seines Lebens heran. Und schon erzählte er lang und breit von seiner angeblichen Konversion und wie er Beichtväter und geistliche Herren getäuscht hatte, die sich der Ehrlichkeit seiner Bekehrung versichern wollten.
    Schon dieser Anfang wurde immer wieder zuerst von lautem Gelächter und dann von empörten Zwischenrufen diverser Priester unterbrochen. Einige sprangen auf und verließen den Saal, andere packten die Stühle, als wollten sie auf den Redner losgehen. Kurzum, es war ein großer Tumult, in dem es

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