Die historischen Romane
Friedrich von Sizilien. Der vierte Papst schließlich sei zwar noch unbekannt, aber er werde der Heilige Papst sein, der Papa Angelicus, von dem auch der Abt Joachim gesprochen hatte. Er werde von Gott auserwählt sein, und dann werde die Gnade des Heiligen Geistes über Dolcino und die Seinen kommen (sie waren inzwischen viertausend), und sie würden die Kirche erneuern bis ans Ende der Zeiten. Doch in den drei Jahren bis zur Ankunft des vierten Papstes müsse alles Böse vertilgt werden. Was Dolcino alsdann zu tun versuchte, indem er das ganze Land mit Krieg überzog. Und als der vierte Papst kam (und hieran siehst du, welches grausame Spiel der Teufel mit seinen Sukkubi treibt), war es ausgerechnet jener Clemens, der zum Kreuzzug gegen Dolcino aufrief. Und mit vollem Recht, denn die Ansichten, die Dolcino in seinen Rundschreiben vertrat, waren nun wirklich nicht mehr mit dem rechten Glauben vereinbar. Er behauptete nämlich, dass die römische Kirche eine Hure sei, dass man den Priestern keinen Gehorsam schulde, dass alle geistliche Macht auf die Apostlersekte übergegangen sei, dass allein die Apostler die neue Kirche bildeten, dass die Apostler die Ehe auflösen könnten, dass niemand das Heil erlangen werde, wenn er nicht zu ihrer Sekte gehöre, dass kein Papst die Absolution erteilen könne, dass man den Zehnten nicht zu bezahlen brauche, dass es besser sei, ohne Gelübde zu leben als mit Gelübde, dass eine geweihte Kirche nichts bedeute für das Gebet, nicht mehr als ein Schweinestall, und dass man den Herrn in den Wäldern ebenso gut wie in den Kirchen anbeten könne.«
»Hat er all diese Dinge wirklich gesagt?«
»Ja, das ist gesichert, er hat sie geschrieben. Doch er tat leider noch mehr. Denn kaum dass er sich mit seinen Leuten auf dem Monte della Parete Calva verschanzt hatte, begann er, die Dörfer im Tal zu überfallen und Raubzüge zu unternehmen, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen. Kurz, er führte einen regelrechten Krieg gegen die Ländereien ringsum.«
»Und alle waren gegen ihn?«
»Ich weiß nicht, vielleicht bekam er von manchen auch Unterstützung. Ich sagte dir doch, er hatte sich in ein unentwirrbares Knäuel lokaler Fehden und Zwietrachten eingefädelt. Aber dann kam der Winter des Jahres 1305, der einer der strengsten seit Jahrzehnten war, und überall herrschte große Not. Dolcino sandte ein drittes Rundschreiben aus, und noch einmal strömten ihm viele neue Anhänger zu, doch das Leben auf der Kahlen Wand wurde immer unerträglicher, und schließlich wurde der Hunger so groß, dass sie Pferdefleisch aßen und andere unreine Tiere und gekochtes Heu. Und viele starben daran.«
»Und gegen wen kämpften sie jetzt noch?«
»Der Bischof von Vercelli hatte sich an Papst Clemens V. gewandt, und sie hatten zu einem Kreuzzug gegen die Ketzer aufgerufen. Jedem, der sich von den Dolcinianern lossagte, wurde uneingeschränkte Straffreiheit zugesichert; Ludwig von Savoyen, die lombardischen Inquisitoren und der Erzbischof von Mailand wurden mobilisiert. Viele nahmen das Kreuz und kamen den Vercellesen und Novaresen zu Hilfe, auch Leute aus der Provence und aus Frankreich kamen, und der Bischof von Vercelli hatte das Oberkommando. Es gab immer wieder Scharmützel zwischen den Vorhuten der beiden Armeen, aber Dolcinos Festung war uneinnehmbar, und irgendwie erhielten die Ketzer auch immer wieder Hilfe.«
»Von wem?«
»Nun, ich denke von anderen Ketzern, von gottlosem Volk, das Freude an diesem Durcheinander empfand. Gegen Ende 1305 sah sich der Häresiarch dann allerdings gezwungen, die Kahle Wand zu verlassen. Er ließ die Toten und Verwundeten liegen und floh in die Gegend von Trivero, wo er sich mit dem Rest seiner Horde erneut auf einem Berg verschanzte, der damals Zubello hieß und seither Rubello oder Rebello genannt wird, weil er zur letzten Festung der Rebellen gegen die Kirche wurde. Kurzum, ich kann dir nicht alle Einzelheiten erzählen, es kam zu schrecklichen Gräueln und Metzeleien, doch schließlich mussten sich die Rebellen ergeben. Dolcino und die Seinen wurden gefangen genommen und endeten, wie das Gesetz es befahl, auf dem Scheiterhaufen.«
»Auch die schöne Margaretha?«
Ubertin sah mich an. »Du hast dir gemerkt, dass sie schön war, stimmt’s? Ja, sie war wunderschön, heißt es, und viele adlige Herren aus der Gegend wollten sie freien, um sie vor dem Scheiterhaufen zu retten. Aber sie wollte nicht. Sie starb gottlos mit ihrem gottlosen Buhlen. Lass dir das eine
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