Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
bemerkte, dass er sich Handschuhe angezogen hatte, die er vermutlich immer benutzte, wenn er mit giftigen Stoffen hantierte. Er roch an den Fingern, schüttelte aber nur den Kopf. »Ich könnte dir viele Substanzen nennen, pflanzliche und mineralische, die solche Spuren hinterlassen. Manche davon sind tödlich, andere nicht. Die Miniaturenmaler zum Beispiel haben oft dunkle Finger vom Goldstaub...«
    »Adelmus war Miniaturenmaler«, gab William zu bedenken. »Vermutlich hast du angesichts seines zerschlagenen Körpers nicht daran gedacht, seine Fingerkuppen zu untersuchen. Aber könnte dieser hier nicht etwas angefasst haben, was Adelmus gehörte?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Severin und schüttelte weiter den Kopf. »Zwei Tote, beide mit schwarzen Fingern... Was schließt du daraus?«
    »Nichts schließe ich daraus: Nihil sequitur ge minis ex particularibus unquam . Man müsste die beiden Fälle auf eine gemeinsame Regel zurückführen können. Zum Beispiel: Es gibt eine Substanz, die jedem, der sie berührt, die Finger schwärzt...«
    Triumphierend beendete ich den Syllogismus: »Venantius und Berengar haben geschwärzte Finger, ergo haben sie diese Substanz berührt!«
    »Bravo, Adson«, lächelte William. »Nur schade, dass deine Schlussfolgerung nicht gültig ist, denn aut semel aut iterum medium generaliter esto , und in deinem Syllogismus erscheint der Mittelbegriff nie allgemeingültig. Ein Zeichen dafür, dass wir die Praemissa maior nicht richtig gewählt haben. Ich hätte nicht sagen dürfen: Jeder, der eine bestimmte Substanz berührt, hat schwarze Finger, denn es kann ja auch Menschen mit schwarzen Fingern geben, die diese Substanz nicht berührt haben. Ich hätte sagen müssen: Jeder, der schwarze Finger hat, und sonst niemand, hat mit Sicherheit eine gegebene Substanz berührt. Also Venantius und Berengar und so weiter... Womit wir einen Darii hätten, einen exzellenten Dritten Syllogismus der Ersten Figur.«
    »Dann hätten wir also die Antwort!« rief ich befriedigt aus.
    »Leider nicht, lieber Adson, du hast ein viel zu großes Vertrauen in die Syllogistik! Wir haben nur wieder die Frage. Will sagen, wir haben die Hypothese aufgestellt, dass Venantius und Berengar ein und dieselbe Substanz berührt haben müssen, und das ist zweifellos eine vernünftige Hypothese. Aber mit unserer Annahme, dass es eine Substanz gibt, die als einzige unter allen Substanzen dieses spezielle Ergebnis bewirkt (was noch zu verifizieren bleibt), wissen wir immer noch nicht, welche Substanz das ist und wo und warum die beiden sie berührt haben. Und aufgepasst: wir wissen nicht einmal, ob sie den Tod der beiden verursacht hat. Stell dir vor, ein Verrückter hätte sich in den Kopf gesetzt, alle Menschen zu töten, die mit Goldpulver in Berührung gekommen sind. Würdest du dann wohl sagen, Goldpulver sei ein tödliches Gift?«
    Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Ich hatte bisher immer angenommen, die Logik sei eine universale Waffe, und jetzt musste ich plötzlich erkennen, dass ihre Kraft und Gültigkeit davon abhängt, wie man sie einsetzt und gebraucht. Andererseits hatte mich das Zusammensein mit meinem Meister gelehrt (und sollte mich in den nächsten Tagen noch immer besser lehren), dass die Logik zu mancherlei Dingen nützlich sein kann, sofern man sie nur im rechten Moment beiseite lässt.
    Severin, der gewiss kein guter Logiker war, räsonierte indessen gemäß seiner eigenen Erfahrung: »Die Welt der Gifte ist vielgestaltig, so vielgestaltig wie die Geheimnisse der Natur«, sagte er und wies auf die zahlreichen Gläser, Flaschen und Schalen, die wohlgeordnet nebst einer Anzahl von Büchern auf den Wandregalen standen. »Wie ich neulich schon sagte, viele dieser Kräuter könnten, wenn man sie entsprechend mischt und dosiert, tödliche Salben oder Getränke ergeben. Hier zum Beispiel der gemeine Stechapfel, die Tollkirsche, der Schierling: sie können Müdigkeit oder Erregung hervorrufen oder auch beides zugleich. In vorsichtiger Dosierung sind sie treffliche Medikamente, im Übermaß werden sie tödlich.«
    »Aber keine dieser Substanzen würde Spuren auf den Fingern hinterlassen?«
    »Keine, soviel ich weiß. Manche Substanzen werden auch nur gefährlich, wenn man sie einnimmt, andere wirken direkt auf die Haut ein. Der weiße Nieswurz zum Beispiel kann Übelkeit hervorrufen, wenn man ihn packt, um ihn aus dem Boden zu ziehen. Es gibt den Diptam und den Eschenwurz, deren Blütenduft die Gärtner in einen Rausch

Weitere Kostenlose Bücher