Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
und den zweiten im Blut? Bei der dritten Posaune fällt ein brennender Stern vom Himmel und stürzt in den Drittteil der Flüsse und Brunnen. Und dort, so sage ich euch, liegt unser dritter Bruder. Und zittert vor der vierten Posaune, denn es wird geschlagen sein der dritte Teil der Sonne, des Mondes und aller Sterne, so dass es fast vollkommen dunkel wird...«
    Als wir die Kirche verließen, murmelte William nachdenklich, er frage sich, ob an den Worten des Alten nicht etwas Wahres sei.
    »Aber dann müsste doch«, gab ich zu bedenken, »ein einziges teuflisches Hirn die drei Morde (vorausgesetzt, dass auch Berengar tot ist) geplant und anhand des Textes der Apokalypse arrangiert haben. Dabei wissen wir doch, dass Adelmus aus eigenem Antrieb gestorben ist...«
    »Das stimmt«, nickte William, »aber vielleicht hat sich dieses teuflische oder kranke Hirn durch den Freitod des armen Adelmus dazu anregen lassen, die beiden anderen derart symbolisch zu arrangieren. Und wenn das wahr ist, müsste Berengar in einem Fluss oder Brunnen liegen. Aber es gibt keine Flüsse oder Brunnen hier in der Abtei, jedenfalls keine, in denen jemand ertrinken oder ertränkt werden könnte...«
    »Nein, Wasser gibt es hier nur im Badehaus«, nickte ich.
    »Adson!« fuhr William auf. »Weißt du, was du da sagst? Ja, das könnte eine Idee sein. Das Badehaus!«
    »Aber da hat man doch sicher schon nachgeschaut...«
    »Freilich, aber ich habe heute Morgen gesehen, wie die Knechte dort suchten: Sie machten nur kurz die Tür auf und schauten hinein, sie suchten nicht richtig, denn sie glaubten noch nicht, etwas gut Verstecktes finden zu müssen; sie erwarteten eine theatralisch drapierte Leiche wie die des Venantius im Bottich... Rasch, lass uns hinübergehen, es ist zwar noch dunkel, aber ich glaube, unsere Lampe brennt noch ganz munter.«
    Wir taten es, eilten ins Badehaus hinter dem Hospital und öffneten ohne Schwierigkeiten die Tür.
    Vor uns standen, aufgereiht und durch breite Vorhänge voneinander getrennt, große Wannen, ich weiß nicht mehr, wie viele. Die Mönche benutzten sie zur Hygiene an den Tagen, da die Regel es vorschrieb, und Severin benutzte sie zu therapeutischen Zwecken, denn nichts ist beruhigender für den Leib und die Seele als ein Bad. In einer Ecke befand sich ein breiter Kamin, der das Wasser rasch zu erwärmen erlaubte, davor lag ein großer Kessel. Das Wasser holte man aus einem Brunnen in der anderen Ecke.
    Wir sahen der Reihe nach in die Wannen. Sie waren fast alle leer. Nur die letzte hinter einem zugezogenen Vorhang war voll, und daneben lag ein zusammengeknülltes Kleidungsstück auf dem Boden. Im ersten Moment erschien uns die Oberfläche des Wassers ungetrübt. Doch als wir Lampe näher hinhielten, entdeckten wir auf dem Grunde der Wanne einen nackten menschlichen Körper. Wir zogen ihn heraus. Es war Berengar. Und dieser Tote, bemerkte William, sah wirklich wie ein Ertrunkener aus: das Gesicht aufgedunsen, der weiße und weiche Körper desgleichen. Er hätte, haarlos wie er war, der Körper einer Frau sein können, wenn man von dem obszönen Anblick der schlaffen männlichen Scham absah. Ich errötete, es überlief mich kalt, und ich bekreuzigte mich, während William den Toten segnete.

VIERTER TAG

 
     
    Vierter Tag
LAUDES
    Worin die Untersuchung der Wasserleiche den sonderbaren Befund einer schwarzen Zunge ergibt, was William dazu veranlasst, mit Severin ein Gespräch über tödliche Gifte zu führen sowie über einen Diebstahl vor langer Zeit.
     
    Muß i ch erzählen, wie wir den Abt informierten, wie die Mönche vor der kanonischen Stunde aus dem Schlaf fuhren und verstört durcheinanderliefen, auf den Lippen entsetzte Schreie, die Blicke verzerrt vor Schrecken und Schmerz? Wie die Nachricht von unserem grausigen Fund sich in Windeseile über das ganze Plateau verbreitete bis zu den Dienern und Stallknechten, die sich hastig bekreuzigten unter allerlei Stoßgebeten? Ich weiß nicht, ob die Mette an jenem Morgen ordnungsgemäß zelebriert wurde, wie es die Regel gebot. Ich folgte William und Severin, die Berengars sterbliche Hülle bedecken und im Hospital auf einen langen Tisch legen ließen.
    Sobald der Abt und die anderen Mönche gegangen waren, zogen der Bruder Botanikus und mein Meister das Tuch von der Leiche und musterten sie ausgiebig mit der Nüchternheit erfahrener Mediziner.
    »Tod durch Ertrinken«, stellte Severin fest, »daran besteht kein Zweifel: das Gesicht aufgedunsen, der Leib

Weitere Kostenlose Bücher