Die historischen Romane
und wenn andererseits alles an jenem Morgen in meinen Augen und Ohren allein von ihr sprach, von ihr, die doch (wenngleich als Sünderin) immerhin auch ein Kapitel im großen Buche der Schöpfung war, ein winziger Vers im gewaltigen Psalm des Kosmos – dann, so sagte ich mir (sage ich heute), konnte auch jener nächtliche Zwischenfall letztlich nichts anderes sein als ein Teil der göttlichen Vorsehung, die das Universum lenkt und die es geordnet sein lässt nach Art einer Harfe zu einem Wunder von Harmonie und Zusammenklang. Wie trunken genoss ich die Anwesenheit des Mädchens in allen Dingen, die ich rings um mich her erblickte, und während ich sie in den Dingen begehrte, empfand ich Befriedigung in ihrem Anblick. Zugleich aber quälte mich auch ein Schmerz, denn bei allem Glück über diese vielen Einbildungen einer Präsenz litt ich auch unter einer Absenz. Es fällt mir nicht leicht, diesen mysteriösen Widerspruch zu erklären – ein Zeichen für die Gebrechlichkeit des menschlichen Geistes, der das Universum zwar wie einen perfekten Syllogismus konstruiert hat, aber von diesem Syllogismus immer nur einzelne, meist recht unzusammenhängende Sätze erfasst, weshalb wir Menschen so leicht den Täuschungen des Bösen anheimfallen. War es eine Täuschung des Bösen, was mich an jenem Morgen bewegte? Heute denke ich, dass es wohl eine war, schließlich war ich damals ja noch Novize. Aber ich denke auch, dass jenes menschliche Gefühl, das mich damals erfüllte, nicht an und für sich und als solches schlecht war, sondern nur in Bezug auf meinen mönchischen Status. Denn an und für sich und als solches war es nichts anderes als das Gefühl, das den Mann zum Weibe treibt, auf dass die beiden sich miteinander vereinen, wie es der Apostel den Laien predigt, und sollen sein wie ein Fleisch und gemeinsam Nachkommen zeugen und einander beistehen bis ins Alter. Nur dass der Apostel dies lediglich denen predigt, die Heilung von ihrer Begehrlichkeit suchen und nicht in ihr verbrennen wollen, wobei er es nicht versäumt, daran zu erinnern, dass die Keuschheit – der ich als Mönch mich verschrieben – vorzuziehen ist. Mithin litt ich an jenem Morgen an etwas, das schlecht für mich war, aber für andere gut, ja geradezu schön und wunderbar, weshalb ich heute begreife, dass meine Verwirrung nicht aus der Falschheit meiner Gedanken rührte, da meine Gedanken als solche ja durchaus würdig und gut waren, sondern aus der Falschheit des Verhältnisses zwischen meinen Gedanken und meinem Gelübde. Und folglich tat ich Unrecht daran, mich eines Gefühls zu erfreuen, das unter anderen Bedingungen gut sein mochte, unter den meinen aber schlecht war, und men Fehler bestand darin, dass ich die Gebote der anima rationalis mit dem appetitus naturalis zu versöhnen suchte. Jawohl, heute ist mir das klar, ich litt unter dem Gegensatz zwischen dem appetitus elicitus intellectivus , dem spontanen Verstandesstreben, in welchem das Reich des Willens sich hätte manifestieren müssen, und dem appetitus elicitus sensitivus, dem spontanen Sinnesdrang, der den menschlichen Leidenschaften ausgesetzt ist. Denn actus appetitus sensitivi, in quantum habent transmutationem corporalem annexam, passiones dicuntur, non autem actus voluntatis, und mein actus appetitivus war eben genau von einem Erzittern des ganzen Körpers begleitet, von einem physischen Drange, laut aufzuschreien und mich zu rühren. Der Aquinate lehrt uns, dass die Leidenschaften als solche an und für sich nicht schlecht sind, so sie gemäßigt werden vom Willen unter Führung der anima rationalis . Doch an jenem Morgen war meine anima rationalis getrübt durch die Müdigkeit, die nur den appetitus irascibilis hemmt, den wilden Drang, der sich auf das Gute oder das Böse richtet als auf etwas, das es zu erobern gilt, nicht aber den appetitus concupiscibilis , den begehrlichen Drang, der sich auf das Gute oder das Böse richtet als auf etwas bereits Bekanntes. Zur Rechtfertigung meiner damaligen unverantwortlichen Leichtfertigkeit kann ich heute sagen, und zwar mit den Worten des Doctor Angelicus, dass ich unzweifelhaft verliebt war, also erfasst von einer Leidenschaft, in welcher sich ein Gesetz des Kosmos ausdrückt, ist doch auch die Schwerkraft der Körper eine natürliche Liebe. Und natürlicherweise erlag ich dieser Leidenschaft, da in ihr appetitus tendit in appetibile realiter cousequendum ut sit ibi finis motus . Weshalb auch ganz natürlicherweise amor facit quod ipsae
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