Die historischen Romane
Welt verkehrt... Danach wird man älter, aber man wird nicht weise, sondern... wie soll ich sagen... naschhaft. Ja, ich wurde zum naschhaften Schlemmer... Einen Ketzer kannst du verdammen, aber einen Schlemmer?«
»Genug jetzt, Remigius«, unterbrach William. »Ich befrage dich nicht über das, was damals geschah, sondern über die Ereignisse dieser Tage. Hilf mir, und ich werde dich nicht ins Verderben stoßen. Ich kann und will dich nicht richten. Aber du musst mir sagen, was du über das Leben in der Abtei hier weißt. Du kommst zu viel herum, bei Tag und bei Nacht, um nicht noch mehr zu wissen. Wer hat Venantius getötet?«
»Das weiß ich wirklich nicht. Ich weiß nur, wann und wo er gestorben ist.«
»Wann? Wo?«
»Lass mich erzählen. In der Nacht von Sonntag auf Montag, eine Stunde nach Komplet, bin ich in die Küche gegangen.«
»Wie? Und aus welchem Grund?«
»Durch die Tür auf der Seite zum Garten. Ich habe einen Nachschlüssel, den ich mir vor langer Zeit machen ließ, und diese Tür ist die einzige, die nicht von innen verriegelt wird... Was den Grund betrifft... nun, der spielt keine Rolle, du hast selber gesagt, dass du mich nicht wegen der Schwäche meines Fleisches verfolgen willst...« Er lachte verlegen. »Denk aber bitte jetzt nicht, dass ich meine ganze Zeit mit unkeuschem Treiben verbringe. An jenem Abend suchte ich Lebensmittel, um sie dem Mädchen zu geben, das Salvatore hereinbringen sollte.«
»Durch welchen Eingang?«
»Oh, es gibt neben dem Tor noch andere Eingänge in der Umfassungsmauer. Der Abt kennt sie, ich kenne sie... Aber das Mädchen kam an dem Abend gar nicht herein, ich schickte sie zurück wegen dem, was ich entdeckt hatte und dir gerade erzähle. Deswegen wollte ich sie ja heute Nacht wiedersehen; wenn ihr etwas später in die Küche gekommen wärt, hättet ihr mich dort gefunden statt Salvatore. Er war es nämlich, der mich gewarnt hatte, dass jemand in der Küche sei, und so war ich in meiner Zelle geblieben...«
»Komm zurück zu der Nacht von Sonntag auf Montag.«
»Tja, also ich trat in die Küche, und da sah ich Venantius auf dem Boden liegen: tot.«
»In der Küche?«
»Ja, nahe dem Abfluss. Er war vielleicht gerade aus dem Skriptorium gekommen.«
»Keine Spuren von einem Kampf?«
»Keine. Nur eine zerbrochene Tasse neben dem Toten. Und Spuren von Wasser.«
»Woher weißt du, dass es Wasser war?«
»Ich weiß es nicht. Ich dachte es nur. Was sollte es sonst gewesen sein?«
Zweierlei konnte die Tasse bedeuten, wie mir William später erklärte: Entweder hatte jemand dort in der Küche dem Ärmsten einen Gifttrank gegeben, oder Venantius hatte das Gift bereits vorher geschluckt (aber wo? und wann?) und war dann in die Küche geeilt, um einen Schluck Wasser zu trinken, vielleicht weil er ein plötzliches Brennen verspürte, einen Krampf, einen stechenden Schmerz in den Eingeweiden oder auf der Zunge (die bei ihm sicher genauso schwarz war wie bei dem toten Berengar).
In jedem Falle war vorerst nicht mehr zu erfahren. Als Remigius den Toten gefunden hatte, fragte er sich erschrocken, was er tun sollte, und beschloss, am besten gar nichts zu tun: Hätte er um Hilfe gerufen, so wäre herausgekommen, dass er sich nachts im Aedificium herumtrieb, und dem toten Mitbruder hätte es ohnehin nichts geholfen. So hatte er alles liegen gelassen und abgewartet, dass jemand den Toten am nächsten Morgen fände. Er war zu Salvatore geeilt, der gerade das Mädchen einschleusen wollte, und dann hatten sich die beiden, der Cellerar und sein Komplize, wieder schlafen gelegt – wenn man ihr erregtes Wachbleiben bis zur Mette so nennen kann. Als dann während der Mette die Schweinehirten dem Abt die grausige Nachricht brachten, hatte Remigius natürlich geglaubt, die Leiche sei in der Küche gefunden worden, so dass er aufs Höchste erstaunt war, als er sie aus dem Blutbottich ragen sah. Wer mochte sie dorthin geschafft haben? Auf diese Frage wusste er keine Antwort.
»Der Einzige, der sich frei im ganzen Aedificium bewegen kann, ist Malachias«, meinte William.
Der Cellerar protestierte energisch: »Nein, Malachias war es nicht! Das heißt, ich glaube es nicht... Jedenfalls wirst du von mir nichts Schlechtes über ihn hören!«
»Beruhige dich, was immer es sein mag, das dich an Malachias bindet. Weiß er etwas über dich?«
»Ja«, nickte Remigius errötend. »Und er hat sich stets sehr diskret verhalten... Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich ein Auge auf
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