Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Guelfen aus Perugia darüber informiert worden, dass Bruder Michael, alles andere als krank, Kontakte zu Ludwig dem Bayern unterhielt... Doch wie dem auch sein mochte, das Gewesene sei gewesen, in jedem Falle scheine ja Michael nun wohlauf und munter, und so erwarte man ihn am päpstlichen Hofe. Allerdings sei es sicherlich besser, räumte der Kardinal ein, vorher zu klären und abzuwägen, wie man es heute hier tun wolle in dieser Runde kluger und erfahrener Männer von beiden Seiten, was Michael dem Heiligen Vater zu sagen gedenke, sei doch allen schließlich daran gelegen, die Dinge nicht zu verschlimmern und einen Streit zu begraben, der eigentlich gar nicht aufkommen dürfte zwischen einem so liebevollen Vater und seinen gehorsamen Kindern, und der auch nur aufgekommen sei durch die Einmischung weltlicher Machthaber, seien sie Kaiser oder Prokuratoren, die nichts zu tun hätten mit den Angelegenheiten der heiligen Mutter Kirche.
    Hier griff nun wieder Abbo ein und sagte, wiewohl er ein Mann der Kirche sei und sogar Abt eines Ordens, dem die Kirche so viel verdanke (ein respektvolles Murmeln und zustimmendes Nicken ging durch beide Hälften des Kreises), sei er aus mancherlei Gründen, die Bruder William von Baskerville später noch darlegen werde, nicht der Ansicht, dass man den Kaiser aus diesen Angelegenheiten heraushalten solle. Freilich müsse der erste Teil der Debatte zunächst allein zwischen den Abgesandten der Kurie und jenen Repräsentanten der Kinder des heiligen Franz stattfinden, die schon dadurch, dass sie überhaupt zu diesem Treffen gekommen seien, sich als gehorsame Kinder des Heiligen Vaters erwiesen hätten. So möge nun Michael oder jemand an seiner Stelle darlegen, was er in Avignon vorzutragen gedenke.
    Michael antwortete, zu seiner großen Freude und Rührung befinde sich unter ihnen an diesem Morgen Ubertin von Casale, den der Heilige Vater selbst im Jahre 1322 um eine fundierte Stellungnahme zur Frage der Armut Christi gebeten habe, und so werde nun dieser hochgeachtete Bruder mit seiner bekannten Luzidität, Gelahrtheit und leidenschaftlichen Rechtgläubigkeit die Kernpunkte dessen zusammenfassen, was mittlerweile – und unwiderruflich – die Überzeugungen des Franziskanerordens seien.
    Ubertin erhob sich, und kaum dass er zu sprechen begonnen hatte, verstand ich, warum er stets und überall so viel Begeisterung weckte, sei's als Prediger oder als Mann des Hofes. Leidenschaftlich im Gestus, gewinnend im Duktus, bezaubernd im Lächeln, klar und folgerichtig im Argumentieren, vermochte er seine Zuhörer bis zum letzten Wort seiner Rede zu fesseln. Er begann mit einer hochgelahrten Explikation der Gründe, die den Thesen von Perugia unterlagen. Vor allem, sagte er, müsse man sich darüber im Klaren sein, dass Christus und seine Jünger einen Doppelstatus gehabt hätten. Zum einen seien sie Würdenträger der Kirche des Neuen Testaments gewesen, und als solche hätten sie, im Hinblick auf ihre Gewährungs- und Verteilungsbefugnis, weltliche Güter besessen, um sie den Armen und den Dienern der Kirche zu geben, wie es geschrieben stehe im vierten Kapitel der Acta Apostolorum, und das wolle niemand bestreiten. Zum anderen aber seien Christus und die Apostel auch als Privatpersonen anzusehen, als Grundpfeiler jeder religiösen Vollkommenheit und als vollkommene Weltverächter. In diesem Zusammenhang gebe es nämlich zweierlei Arten von Haben. Die eine sei zivil und weltlich und in den kaiserlichen Gesetzen mit den Worten » in bonis nostris « definiert, denn »unser« würden dort jene Güter genannt, die man verteidigen und, wenn sie einem genommen werden, zurückfordern dürfe (und zu behaupten, Christus und die Apostel hätten in diesem Modus weltliche Güter besessen, sei eine häretische Aussage, heiße es doch bei Matthäus im fünften Kapitel: »So jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel«, und nichts anderes steht auch im sechsten Kapitel bei Lukas, mit welchen Worten Christus jede weltliche Habe und Herrschaft von sich gewiesen und seinen Jüngern geboten habe, desgleichen zu tun, siehe dazu auch Matthäus Kapitel neunzehn, wo Petrus zum Herrn sagt, sie hätten alles verlassen, um ihm zu folgen). Doch auch in der anderen Art und Weise könne man weltliche Güter haben, nämlich im Hinblick auf die gemeinsame brüderliche Barmherzigkeit, und in diesem Modus hätten Christus und seine Jünger Dinge gehabt aus natürlichem Recht, welches Recht

Weitere Kostenlose Bücher