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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Zelle. Also gehen wir lieber in den Kapitelsaal und sehen, ob vielleicht beim Verhör des Cellerars etwas herauskommt, was uns weiterbringt. Alles in allem ist mir nämlich noch gar nicht recht klar, worauf Bernard eigentlich hinauswill. Schließlich suchte er seinen Mann schon seit heute Morgen, also lange bevor Severin ermordet wurde und aus ganz anderen Gründen.«
    Wir gingen zurück zum Kapitelsaal. Wir hätten besser daran getan, in Bennos Zelle zu gehen. Denn wie wir später erfuhren, hatte unser junger Freund durchaus keine so hohe Meinung von Williams Scharfsinn gehabt und daher nicht erwartet, dass wir so schnell ins Laboratorium zurückkehren würden. Weshalb er in der Annahme, dass ihn keiner dort suchen würde, genau in seine Zelle gegangen war, um dort das Buch zu verstecken...
    Doch davon später mehr. Einstweilen sollten sich nämlich andere Dinge ereignen, die so dramatisch und aufwühlend waren, dass wir darüber unser mysteriöses Buch fast vergaßen. Und wenn wir es auch nicht ganz vergaßen, mussten wir uns doch anderen Aufgaben zuwenden, schließlich hatte William immer noch seine Mission.

 
     
    Fünfter Tag
NONA
    Worin Recht gesprochen wird und man den beklemmenden Eindruck hat, dass alle im Unrecht sind.
     
    B ernard Gui thronte hinter dem großen Nussbaumtisch im Kapitelsaal, flankiert von einem Dominikaner, der die Aufgaben eines Protokollanten wahrnahm, sowie von zwei Prälaten der päpstlichen Legation als beisitzenden Richtern. Remigius stand vor dem Tisch, rechts und links bewacht von zwei Bogenschützen.
    Der Abt wandte sich leise an William: »Ich weiß nicht, ob das Verfahren rechtmäßig ist. Das Laterankonzil von 1215 hat in seinem Kanon XXXVII bestimmt, dass niemand vor einen Richter zitiert werden darf, der mehr als zwei Tagesmärsche von seinem Wohnort entfernt amtiert. Hier liegt der Fall vielleicht anders, hier ist es der Richter, der von weither kommt, aber...«
    »Der Inquisitor steht über jeder regulären Gerichtsbarkeit«, antwortete William, »er braucht die Normen des gewöhnlichen Rechts nicht zu befolgen, er genießt Sonderrechte und ist nicht einmal gehalten, die Verteidiger anzuhören.«
    Ich betrachtete den Cellerar. Er sah jämmerlich aus und blickte um sich wie ein verängstigtes Tier, als ob er die Gesten und Bewegungen einer gefürchteten Liturgie erkannte. Heute weiß ich, dass er aus zweierlei Gründen Angst hatte, die ihn beide gleichermaßen erschreckten: zum einen, weil er allem Anschein nach in flagranti bei einem Mord ertappt worden war, zum anderen, weil er bereits seit dem Vortag, als Bernard mit seinen Verhören begonnen und allerlei Gerüchte gesammelt hatte, bei dem Gedanken zitterte, dass seine Jugendsünden ans Licht kommen könnten; und seine Unruhe war noch gewachsen, als er gesehen hatte, wie Salvatore abgeführt worden war.
    Zudem wusste Bernard Gui sehr genau, wie man die Angst seiner Opfer in Panik verwandelt. Er sprach nicht, im Gegenteil, während alle erwarteten, dass er mit dem Verhör beginnen werde, wühlte er schweigend in den Blättern, die ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch lagen, und tat so, als ob er sie ordnete – aber zerstreut, denn sein Blick war dabei auf den Angeklagten gerichtet, und in diesem Blick lag eine Mischung aus geheuchelter Nachsicht (als wollte er sagen: »Fürchte dich nicht, du stehst hier vor einem brüderlichen Kollegium, das gar nicht anders kann, als dein Bestes zu wollen«), aus eisiger Ironie (als wollte er sagen: »Du weißt noch nicht, was dein Bestes ist, aber ich werde es dir gleich sagen«) und aus gnadenloser Strenge (als wollte er sagen: »In jedem Falle bin ich dein einziger Richter und du gehörst mir«). All das wusste der Cellerar längst, doch der lauernde Blick und das Schweigen des Inquisitors dienten dazu, es ihm erneut ins Gedächtnis zu rufen, ja es ihn geradezu körperlich spüren zu lassen, auf dass er – statt es zu vergessen – sein Wissen als zusätzliche Belastung empfinde, auf dass seine Angst zur Verzweiflung werde und er zum willenlosen Objekt, zum knetbaren Wachs in den Händen des Richters.
    Endlich brach Bernard das lastende Schweigen, murmelte ein paar rituelle Formeln und sagte, zu den Beisitzern gewandt, man werde nun zum Verhör des Angeklagten schreiten. Eines Angeklagten, präzisierte er, dem zwei gleichermaßen ruchlose Verbrechen zur Last gelegt würden: das eine liege offen vor aller Augen zutage, das andere sei indessen nicht minder ruchlos, denn man habe den

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