Die historischen Romane
mich vor Mitleid erschauern. Schon im Normalzustand sah er, wie ich bereits gesagt habe, recht entsetzlich aus. Nun aber glich Salvatore mehr denn je einem geschundenen Tier. Nicht dass Spuren von unmittelbarer Gewaltanwendung an ihm zu sehen waren, doch die ganze Art und Weise, wie sein Körper sich mühsam dahinschleppte, in schweren Eisenketten, die Glieder seltsam verrenkt, vorangezerrt von den Bogenschützen wie ein Affe am Strick, verriet sehr deutlich, wie grauenhaft sein Verhör gewesen sein musste.
»Bernard hat ihn gefoltert!« flüsterte ich entsetzt zu William.
»Mitnichten«, antwortete mein Meister. »Der Inquisitor foltert nie. Um den Leib des Angeklagten kümmert sich stets nur der weltliche Arm.«
»Aber das ist doch dasselbe!«
»Oh nein, Adson. Nicht für den Inquisitor, der die Hände sauber behält, und nicht für den Angeklagten, der im Inquisitor, wenn dieser endlich hereinkommt, einen unverhofften Erlöser findet, einen Linderer seiner Qualen, dem er getrost sein Herz öffnen kann...«
Ich sah meinen Meister ungläubig an. »Ihr scherzt!« sagte ich verwirrt.
»Scheint dir, dass diese Dinge zum Scherzen sind?« erwiderte William.
Unterdessen hatte Bernard mit Salvatores Verhör begonnen, doch meine Feder vermag die gebrochenen Worte, die gestammelten Laute nicht wiederzugeben, mit welchen dieser ohnehin stets getretene und nun auf den Rang eines Affen erniedrigte Mensch antwortete. Es war ein nahezu unverständliches, wahrhaft babylonisches Kauderwelsch, doch Bernard stellte die Fragen so, dass der Ärmste fast nur mit Ja oder Nein antworten konnte und zu keiner Lüge mehr fähig war. Und was er sagte, kann sich der Leser gewiss leicht vorstellen. Er erzählte – beziehungweise gab zu, in der Nacht dem Inquisitor davon erzählt zu haben – Teile jener Geschichte seines Lebens, die ich bereits erfahren hatte: von seinem Vagabundendasein unter den Fratizellen, Pastorellen und Pseudo-Aposteln, wie er Remigius bei den Dolcinianern getroffen hatte und wie sie sich retten konnten nach der Schlacht am Monte Rebello und wie sie dann Zuflucht fanden im Konvent von Casale. Doch er bestätigte auch, dass Remigius kurz vor Dolcinos Gefangennahme von diesem einige Briefe erhalten habe, um sie gewissen Leuten zu überbringen, und dass der Cellerar diese Briefe immer bei sich getragen habe, weil er nicht wagte, sie den Adressaten zuzustellen, und dass er sie bei seiner Ankunft in dieser Abtei, wo er sie weder behalten noch vernichten wollte, dem Bibliothekar übergeben habe, jawohl, dem Bruder Malachias, damit dieser sie irgendwo in einem unzugänglichen Winkel des Aedificiums verberge.
Während Salvatore sprach, betrachtete ihn der Cellerar mit wachsendem Hass. Schließlich konnte er sich nicht länger beherrschen und schrie ihn an: »Du Schlange, du treulose Kreatur, du infame Bestie! Ich war dir Vater und Freund und Beschützer, und so dankst du's mir jetzt!«
Salvatore drehte den Kopf zu seinem Beschützer, der nun selber so dringend Schutz brauchte, und erwiderte mühsam: »Signor Remigio, wie ich konnt, war ich dein. Warst mir teuer und lieb. Aber weißt doch, wie's geht. Qui non habet caballum, vadat cum pede...«
»Narr!« schrie Remigius. »Meinst wohl, du könntest dich retten auf diese Weise? Hast du denn nicht begriffen, dass du genauso als Ketzer verrecken wirst? Sag ihnen, dass du nur unter der Folter geredet hast! Sag ihnen, dass du alles erfunden hast!«
»Was weiß denn ich, ich povero Salvatore, wie sie heißen, all diese Spinner... Patriner, Kathriner, Schlawiner, Lionisti, Arnoldisti, Circumcisti... Ich bin kein homo literatus, bin bloß ein povero peccatore, peccavi sine malitia, und el señor Bernardo magnificentissimo weiß das genau, und darum hoff ich auf indulgentia sua in nomine patre et filio et spiritis sanctis...«
»Wir werden Nachsicht üben, wenn unser Amt es gestattet«, sagte der Inquisitor, »und wir werden mit väterlichem Wohlwollen deinen guten Willen zu würdigen wissen, mit dem du bereit warst, uns dein Herz aufzutun. Aber nun geh, geh wieder in deine Zelle, um zu meditieren und auf die Barmherzigkeit Gottes zu hoffen. Wir haben jetzt eine Frage von weit größerem Gewicht zu erörtern... Remigius, du trugst also Briefe von Fra Dolcino bei dir und übergabst sie deinem Mitbruder, der hier die Bibliothek verwaltet...«
»Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr!« schrie der Cellerar, als ob ihm diese Verteidigung noch etwas nützen konnte, und prompt
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