Die historischen Romane
Angeklagten bei einem Mord ertappt, als man ihn suchte wegen Verdachtes auf Häresie.
Das Wort war heraus. Der Cellerar schlug sich die Hände vor das Gesicht, was ihm Mühe bereitete, denn sie lagen in Ketten, und Bernard begann das Verhör.
»Wer bist du?«
»Remigius von Varagine. Ich bin vor zweiundfünfzig Jahren geboren und noch als Knabe in das Minoritenkonvent von Varagine eingetreten.«
»Und wieso befindest du dich jetzt im Orden des heiligen Benedikt?«
»Vor vielen Jahren, als der Papst die Bulle Sancta Romana ausgab, dachte ich... aus Furcht vor einer Ansteckung durch die Häresie der Fratizellen... obwohl ich niemals ein Anhänger ihrer Lehren gewesen war... dass es besser wäre ür meine sündige Seele, mich einer Umwelt voller Versuchungen zu entziehen, und bewarb mich erfolgreich um Aufnahme in die Bruderschaft dieser Abtei, der ich nunmehr seit über acht Jahren als Cellerar diene.«
»Du hast dich den Versuchungen der Häresie entzogen«, höhnte der Inquisitor, »oder präziser gesagt den Untersuchungen derer, die eingesetzt worden waren, um die Häresie aufzudecken und das Unkraut auszurotten, und die guten Cluniazensermönche glaubten, sie täten einen Akt der Barmherzigkeit, als sie dich und deinesgleichen aufnahmen. Doch ein Wechsel der Kutte genügt nicht, um das Schandmal der häretischen Entartung aus der Seele zu tilgen, und darum sind wir jetzt hier, um zu untersuchen, was sich in den verborgenen Winkeln deiner unbußfertigen Seele regt und was du getan hast, bevor du an diesen heiligen Ort gekommen bist.«
»Meine Seele ist unschuldig, und ich weiß nicht, was Ihr meint, wenn Ihr von häretischer Entartung sprecht«, sagte der Cellerar vorsichtig.
»Seht Ihr?« rief Bernard aus und wandte sich an die beisitzenden Richter. »So reden sie alle! Wenn einer von ihnen gefasst wird, tritt er vor das Gericht, als ob sein Gewissen ruhig und rein wäre. Dabei wissen sie nicht, dass eben dies das deutlichste Zeichen ihrer Schuld ist, denn die Gerechten zeigen sich unruhig im Prozess. Fragt ihn doch einmal, ob er weiß, warum ich seine Verhaftung veranlasst habe. Weißt du es, Remigius?«
»Herr Inquisitor«, antwortete der Cellerar, »ich wäre froh, es aus Eurem Munde zu erfahren.«
Ich war überrascht, denn mir schien, dass der Angeklagte auf rituelle Fragen ebenso rituelle Antworten gab, als ob er die Regeln des Kreuzverhörs und die möglichen Fangfragen alle schon bestens kannte und seit Langem auf eine solche Situation vorbereitet war.
»Genau das«, ertönte es jetzt von Bernard, »ist die typische Antwort der unbußfertigen Ketzer! Sie winden sich schlau wie die Füchse, und es ist überaus schwer, sie zu fassen, denn ihre Gemeinde gestattet ihnen zu lügen, um der verdienten Strafe zu entgehen. Sie greifen zu gewundenen Antworten, um den Inquisitor zu täuschen, der schon genug damit geschlagen ist, dass er den Kontakt mit diesen widerwärtigen Leuten ertragen muss... Also du willst behaupten, Fra Remigius, du habest niemals etwas zu tun gehabt mit den sogenannten Fratizellen oder Brüdern des armen Lebens oder Beginen?«
»Ich habe die bewegten Jahre der Minderen Brüder miterlebt, als lang und breit über die Armut diskutiert wurde, aber ich habe niemals zur Sekte der Beginen gehört.«
»Seht Ihr?« rief Bernard von Neuem. »Er leugnet, ein Begine gewesen zu sein, weil nämlich die Beginen, wiewohl sie zum Ketzerunwesen der Fratizellen gehören, diese als einen vertrockneten Zweig des Franziskanerordens betrachten und sich selbst für reiner und vollkommener halten als alle anderen. Doch sie haben viele Gewohnheiten und Verhaltensweisen mit den anderen gemein. Kannst du leugnen, Remigius, dass du in der Kirche gesehen wurdest, wie du Andacht hieltest, verzückt mit dem Gesicht zur Wand, oder auch prosterniert am Boden liegend mit der Kapuze über dem Kopf, statt kniend und mit gefalteten Händen wie die anderen Mönche?«
»Auch im Orden des heiligen Benedikt wirft man sich zu gegebener Zeit auf den Boden...«
»Ich habe dich nicht gefragt, was du zu gegebener Zeit getan hast, sondern was du zur falschen Zeit tatest! So leugnest du also nicht, diese beiden Haltungen eingenommen zu haben, die typisch sind für die Beginen! Aber du bist kein Begine, sagst du? Dann sage mir nun: Woran glaubst du?«
»Herr Inquisitor, ich glaube an alles, woran ein guter Christ glaubt...«
»Fürwahr, eine fromme Antwort! Und woran glaubt ein guter Christ?«
»An das, was die heilige
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