Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
»Und was sollte auch ein arabisches Buch in Severins Laboratorium?«
    »Aber warum hat er das Buch dann seltsam genannt?«
    »Eben das ist die Frage. Es muss irgendwie ungewöhnlich gewesen sein, zumindest für ihn, der schließlich Botanikus war und nicht Bibliothekar... In Bibliotheken kommt es zuweilen vor, dass mehrere alte Handschriften einfach zusammengebunden werden, so dass in einem Band dann mehrere ganz verschiedene Texte enthalten sind, zum Beispiel ein griechischer, ein aramäischer...«
    »...und ein arabischer!« schrie ich auf, von blitzartiger Erkenntnis durchzuckt.
    William packte mich hart am Arm, zerrte mich aus dem Narthex und über den Hof zurück zum Laboratorium. »Hornochse! Holzkopf von einem Teutonen! Ignorant! Du hast nur die ersten Seiten geprüft und nicht den Rest!«
    »Aber Meister!« jammerte ich. »Ihr wart es doch, der die Seiten geprüft hat! Ich hatte sie Euch gezeigt, und Ihr habt gesagt, das sei Arabisch und nicht Griechisch!«
    »Ja, ja, du hast ja recht! Ich bin der Hornochse! Los, schneller!«
    Keuchend erreichten wir das Hospital und hatten Mühe hineinzukommen, denn die Novizen trugen gerade den Leichnam heraus. Drinnen wimmelte es von Neugierigen. William stürzte sofort zum Tisch, durchwühlte hastig die Bücher auf der Suche nach jenem einen schicksalsschwangeren, nahm sie eins nach dem anderen zur Hand und warf sie ungeduldig zu Boden unter den staunenden Augen der Umstehenden, fing noch einmal von vorn an, schlug jedes einzelne auf, dann noch ein drittes Mal... Es half alles nichts, die arabische Handschrift war verschwunden. Ich konnte mich dunkel an den sehr alten Einband erinnern, er war nicht robust gewesen und ziemlich abgewetzt, zusammengehalten von leichten Metallbändern...
    »Wer ist hier reingekommen, seit wir raus sind?« fragte William einen der Mönche, der freilich nur hilflos die Achseln zuckte. Klar, alle und niemand waren hereingekommen.
    Rasch überlegten wir, welche Möglichkeiten es gab. Malachias? Unwahrscheinlich, er wusste genau, was er suchte, er hatte uns vermutlich beobachtet und gesehen, dass wir mit leeren Händen herausgekommen waren, er war sicher längst ins Skriptorium zurückgekehrt. Benno? Jetzt fiel mir ein, dass er vorhin bei unserem kurzen Wortwechsel über die arabische Handschrift gelacht hatte. Ich hatte natürlich angenommen, er habe über meine Dummheit gelacht, aber vielleicht war es Williams Naivität gewesen, die ihn so amüsiert hatte – ihn, der sicherlich wusste, in wie vielen verschiedenen Gestalten eine alte Handschrift sich darbieten kann... Vielleicht hatte er sofort erkannt, was wir leider erst jetzt erkannt hatten, aber natürlich gleich hätten erkennen müssen – nämlich dass es doch recht sonderbar war, bei Severin, der kein Arabisch konnte, ein arabisches Buch zu finden... Wer kam sonst noch in Frage? Gab es eine dritte Person?
    William war völlig niedergeschlagen. Ich wollte ihn trösten, indem ich ihm sagte, seit drei Tagen sei er nun auf der Suche nach einem griechischen Buch gewesen, da sei es doch ganz natürlich, dass er beim Prüfen der Bücher alle, die keine griechische Schrift aufwiesen, sofort ausgesondert habe. Worauf er jedoch erwiderte, Irren sei gewiss menschlich, aber es gebe Menschen, die sich öfter als andere irrten, und die nenne man Tölpel, und er sei einer davon, und er frage sich, wozu er so lange in Paris und Oxford studiert habe, um dann nicht mal auf einen so simplen Gedanken zu kommen, dass alte Handschriften auch in Gruppen zusammengebunden sein können, was schließlich schon die Novizen wüssten, abgesehen von solchen Tölpeln wie mir, und ein Tölpelpaar wie wir beide hätte sicher großen Erfolg auf den Jahrmärkten, und dort sollten wir lieber künftig auftreten, statt hier dunkle Geheimnisse klären zu wollen, besonders wenn wir es mit Leuten zu tun hätten, die sehr viel heller seien als wir.
    »Aber was soll das Gejammer?« sagte er schließlich. »Wenn Malachias das Buch genommen hat, ist es jetzt sicher wieder in der Bibliothek, und dort finden wir es nur, wenn wir das Rätsel des Finis Africae lösen. Und wenn es Benno genommen hat, wird er sich gewiss gedacht haben, dass ich früher oder später auf denselben Gedanken kommen würde wie er, sonst hätte er nicht so schnell gehandelt. Folglich hat er sich irgendwo mit dem Buch versteckt, und der einzige Ort, an welchem er sich gewiss nicht versteckt hat, ist der, an welchem wir ihn sofort suchen würden, nämlich seine

Weitere Kostenlose Bücher