Die historischen Romane
Ideen, die auch die Ideen des Kapitels zu Perugia waren und die der Fratizellen und die der Dolcinianer, sowie durch den Beweis, dass es hier in der Abtei einen gab, der all jene ketzerischen Ideen teilte und zugleich Urheber soundsovieler Verbrechen war, hätte Bernard seinen Gegnern einen wahrhaft tödlichen Hieb versetzt... Ich schaute zu William und sah, dass er es gleichfalls begriffen hatte, aber nichts dagegen zu tun vermochte. Ich schaute zum Abt hinüber und sah, wie sein Blick sich verfinsterte: Er machte sich klar, dass auch er in die Falle gegangen war und dass seine Mittler-Autorität zusammenbrach, erschien er doch nun als Herr eines Ortes, an welchem sämtliche Ruchlosigkeiten des Jahrhunderts sich ein Stelldichein gaben. Was schließlich den Angeklagten betraf, so wusste er nicht mehr, welcher der beiden Anklagen er sich zuerst erwehren sollte. Aber vielleicht war er jetzt auch zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, denn der Schrei, den er ausstieß, kam aus seiner tiefsten Seele, mit ihm und in ihm schrie er sich frei von jahrzehntelangen Gewissensbissen, oder anders gesagt: Nach einem Leben voller Ungewissheiten, Begeisterungen und Enttäuschungen, voller Feigheiten und Verrat, beschloss er nun endlich, konfrontiert mit der Unvermeidlichkeit seines Ruins, den Glauben seiner Jugendzeit zu bekennen, ohne sich länger zu fragen, ob er falsch oder richtig war, gleichsam wie um sich selbst zu beweisen, dass er noch zu einem Glauben fähig war.
»Ja, es ist wahr!« schrie er auf. »Ich bin bei Dolcino gewesen, ich habe seine Verbrechen und seine Freizügigkeiten geteilt, vielleicht war ich verrückt, vielleicht verwechselte ich die Liebe zu Unserem Herrn Jesus Christus mit dem Bedürfnis nach Freiheit und mit dem Hass auf die Bischöfe. Ja, es ist wahr, ich habe gesündigt, aber ich bin unschuldig an den Vorfällen in der Abtei, ich schwöre es!«
»Das ist immerhin schon mal etwas«, sagte Bernard. »Du gibst also zu, die Häresie Dolcinos und seiner Hexe Margaretha und ihrer Genossen geteilt zu haben. Gibst du zu, dass du bei ihnen warst, als sie unweit von Trivero viele gläubige Christen an den Bäumen aufhängten, darunter ein unschuldiges Kind von zehn Jahren? Und dass du dabei warst, als sie weitere Männer aufknüpften vor den Augen ihrer Frauen und ihrer Eltern, weil sie sich der Willkür dieser Hunde nicht unterwerfen wollten? Und weil ihr Ketzer inzwischen glaubtet, verblendet durch eure Hoffart und Raserei, dass niemand erlöst werden könne, der nicht zu eurer Sekte gehörte? Rede!«
»Ja, ja, ich habe das alles geglaubt und getan!«
»Und du warst dabei, als sie etliche treue Bischofsanhänger fingen und etliche elend verhungern ließen im Kerker? Und als sie einer schwangeren Frau eine Hand und einen Arm abschlugen und sie dann ein Kind gebären ließen, das gleich nach der Geburt ohne Taufe starb? Und als sie die Dörfer Mosso, Trivero, Cossila und Flecchia plünderten, brandschatzten und dem Erdboden gleichmachten, und noch viele weitere Ortschaften in der Gegend von Crepacorio und viele Häuser in Mortiliano und in Quorino? Und als sie die Kirche von Trivero anzündeten, nachdem sie zuvor die Heiligenbilder geschändet und die Gedenksteine von den Altären gerissen und der Jungfrauenstatue einen Arm abgeschlagen und die Kelche, Weihegeräte und Bücher geplündert und den Campanile zerstört und die Glocken zerbrochen und sich aller Gefäße der Bruderschaft und der Habe des Priesters bemächtigt hatten?«
»Ja, ja, ich war dabei und habe mitgemacht, und niemand wusste mehr, was er tat, wir wollten den Tag der Großen Strafe vorwegnehmen, denn wir waren die Vorhut des rächenden Herrschers, der vom Himmel herabgesandt wird und vom Heiligen Papa Angelicus, wir mussten das Kommen des Engels von Philadelphia beschleunigen, und dann würden alle Menschen auf Erden die Gnade des Heiligen Geistes empfangen, und die Kirche würde von Grund auf erneuert werden, und nach der Vernichtung aller Verderbten würden allein die Vollkommenen herrschen!«
Der Cellerar wirkte entrückt und erleuchtet zugleich, es schien, als wäre der Damm des Schweigens und der Verstellung in ihm gebrochen, als stehe seine Vergangenheit nicht nur in Worten erneut vor ihm auf, sondern auch in Bildern, als spüre er wieder die großen Gefühle, die ihn einst so erregt hatten.
»Mithin«, stieß Bernard nach, »gestehst du auch, dass ihr den Gherardo Segarelli als Märtyrer verehrtet, dass ihr der römischen Kirche
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