Die historischen Romane
man sie ins Castell von Bugello verbrachte. Drei Monate lang trieb ich mich in der Gegend von Vercelli herum, bis der Brief von Papst Clemens eintraf, der Dolcinos Urteil enthielt. Und ich habe mitangesehen, wie Margaretha in Stücke gerissen wurde, und ich hörte sie schreien, zerfleischt, wie sie war, armer Leib, den auch ich eines Nachts berührt... Und als ihr geschundener Kadaver brannte, kamen sie über Dolcino und rissen ihm mit glühenden Zangen die Nase ab und die Hoden, und es stimmt nicht, was später von ihm behauptet wurde, dass er keinen Laut von sich gegeben hätte. Dolcino war ein großer und starker Mann, er hatte einen gewaltigen Teufelsbart, und die roten Locken fielen ihm auf die Schultern in dichten Ringeln, schön und mächtig war er anzusehen mit seinem breitkrempigen Hut, den ein Federbusch schmückte, mit seinem Schwert am Gürtel um den Talar. Dolcino ließ die Männer erzittern vor Angst und die Weiber aufschreien vor Vergnügen, ja... Doch als sie ihn folterten, schrie auch er vor Schmerzen wie ein Weib, wie ein Lamm, er blutete aus allen Wunden, als sie ihn durch die ganze Stadt schleiften und immer noch weiter verstümmelten, nur um vorzuführen, wie lange ein Abgesandter der Hölle weiterzuleben vermag, und er wollte sterben, ja, er flehte sie an, sie sollten ein Ende machen mit ihm, aber er starb spät, zu spät, erst auf dem Scheiterhaufen, und da war er nur noch eine blutige Fleischmasse... Ich war ihm gefolgt auf seinem Leidensweg und war froh, dieser grausamen Prüfung entgangen zu sein, und neben mir ging jener Strolch Salvatore, der zu mir sagte: Das haben wir gut gemacht, Fratel Remigio, dass wir so schlau gewesen sind, es gibt nichts Schlimmeres als die Folter... Tausend Religionen hätte ich abgeschworen an jenem Tage! Und seit Jahren, seit Jahrzehnten sage ich mir beschämt, wie feige ich war, und wie froh ich war, dass ich feige war, und die ganze Zeit habe ich immer gehofft, mir eines Tages beweisen zu können, dass ich doch nicht ganz so ein Feigling bin. Heute endlich, heute hast du, Bernard, mir die Kraft gegeben, es mir zu beweisen! Du bist heute für mich gewesen, was einst die heidnischen Kaiser für die feigsten der Märtyrer waren. Du hast mir den Mut gegeben, endlich frei zu bekennen, was ich glaubte in meiner Seele, während mein Leib davor zurückschreckte. Doch verlange jetzt nicht zu viel von mir, verlange nicht größeren Mut, als meine sterbliche Hülle ertragen kann. Nicht die Folter! Ich werde alles sagen, was du willst, lieber sofort auf den Scheiterhaufen, man erstickt, bevor man verbrennt. Aber nicht die Folter wie bei Dolcino! Du willst einen Kadaver haben, und um ihn zu kriegen, musst du mir die Schuld für andere Kadaver aufbürden. Wohlan, Kadaver bin ich sowieso bald, also gebe ich dir, was du willst. Ich habe Adelmus von Otranto getötet, aus Hass auf seine Jugend und aus Neid auf seine Geschicklichkeit im Umgang mit Monstern, die mir ähnelten, mir, dem alten, fetten, kleinen und ignoranten Monster. Ich habe Venantius von Salvemec umgebracht, weil er so gebildet war und Bücher las, die ich nicht verstand. Ich habe Berengar von Arundel getötet aus Hass auf seine Bibliothek, ich, der ich Theologie betrieb, indem ich die viel zu reich gewordenen Kirchen plünderte. Und schließlich habe ich Severin von Sankt Emmeram erschlagen, weil... ja, weil er Kräuter sammelte, während wir auf dem Monte Rebello fraßen, was wir in die Finger bekamen, ohne uns groß Gedanken zu machen, ob es giftig war oder nicht. Ich könnte ohne weiteres auch all die anderen hier töten, inklusive den Abt: Ob Papst oder Kaiser, immer hat er sich mit meinen Feinden verbündet, und immer habe ich ihn gehasst, auch als er mir zu essen gab, weil ich ihm zu essen gab. Genügt dir das? Ach nein, du willst ja auch wissen, wie ich all diese Mitbrüder umgebracht habe... Wohlan, ich habe sie umgebracht... warte... indem ich die Kräfte der Hölle beschwor, indem ich die tausend Legionen der Hölle benutzte, die ich mir gefügig zu machen verstand durch die Schwarze Magie, die Salvatore mir beigebracht hatte. Um jemanden umzubringen, brauchst du nicht selber Hand anzulegen, das besorgt der Teufel für dich, wenn du dir den Teufel dienstbar zu machen weißt.«
Der Cellerar blickte im Saal herum mit verschlagener Miene und lachte, aber es war jetzt das Lachen eines Irren, mochte dieser Irre auch – worauf mich William später hinwies – noch genug Geistesgegenwart aufgebracht haben,
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