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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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heraufbeschworen hatte. »Der Schlemmer ist wieder zum Reinen geworden«, murmelte William. »Aber ist denn dies Reinheit?« fragte ich ihn entsetzt. »Es wird sie gewiss noch in anderen Formen geben«, sagte William, »aber in jeder Form macht sie mir Angst.«
    »Was schreckt Euch am meisten an der Reinheit?«
    »Die Eile.«
    »Das reicht jetzt!« rief nun der Inquisitor. »Ich habe von dir ein Geständnis verlangt, nicht einen Aufruf zum Massaker! Aber gut, um so besser, du bist also nicht nur damals Ketzer gewesen, du bist es noch heute! Und du bist nicht nur damals Mörder gewesen, du hast auch weitergemordet! Sag uns jetzt, wie du deine Mitbrüder hier in der Abtei ermordet hast, und warum!«
    Remigius hörte zu zittern auf und blickte sich um, als erwachte er aus einem Traum. »Nein«, sagte er klar und deutlich, »mit den Verbrechen in der Abtei habe ich nichts zu tun. Ich habe Euch alles gestanden, was ich getan habe. Zwingt mich jetzt nicht zu gestehen, was ich nicht getan habe...«
    »Aber was bleibt denn noch übrig, das du nicht getan haben könntest? Jetzt willst du auf einmal unschuldig sein? Oh sanftes Lamm, Muster an Friedfertigkeit! Ihr habt es gehört, einst troffen seine Hände von Blut, und jetzt ist er unschuldig! Vielleicht haben wir uns getäuscht und Remigius von Varagine ist ein Ausbund an Tugend, ein treuer Sohn der Kirche, ein Feind aller Feinde Christi? Stets hat er die Ordnung geachtet, die der wachsame Arm der Kirche den Dörfern und Städten aufzuerlegen sich müht, nie hätte der Brave gewagt, den Frieden der Händler anzutasten oder die Läden der Handwerker oder die Schätze der Kirchen! Er ist unschuldig, er hat nie etwas Böses getan, in meine Arme, Bruder Remigius, dass ich dich trösten kann, dass ich dich schützen kann vor den Anklagen, die üble Verleumder gegen dich zu erheben sich erdreisteten!« Sprach's und hatte sich halb erhoben, als wollte er gleich die Arme ausbreiten, und während Remigius ihn noch ungläubig anstarrte (hoffte er wirklich auf einen überraschenden Freispruch?), setzte der Inquisitor sich wieder zurecht und wandte sich im Befehlston an den Hauptmann der Bogenschützen:
    »Ich greife ungern zu Mitteln, die unsere Kirche stets kritisiert hat, wenn sie vom weltlichen Arm angewandt wurden. Aber es gibt ein Gesetz, dem sich auch meine persönlichen Gefühle zu beugen haben. Lasst Euch vom Abt einen Raum anweisen, wo man die Folterwerkzeuge herrichten kann. Aber man soll nicht sofort beginnen. Man lasse ihn erst drei Tage in einer Zelle liegen, Hände und Füße in Ketten. Dann zeige man ihm die Geräte. Nur zeigen. Am vierten Tage beginne man. Die Gerechtigkeit hat keine Eile, wie die Pseudo-Apostel meinten, und Gottes Gerechtigkeit kann sich Jahrhunderte Zeit lassen. Also geht langsam vor, und stufenweise. Und beachtet vor allem, was euch immer wieder gesagt worden ist: Vermeidet Verstümmelungen und unmittelbare Todesgefahr! Eine der Segnungen, die dem Frevler durch diese Prozedur zuteil werden, ist gerade ein beglückender und erwarteter Tod, der als Erlöser kommt, aber erst nach einem vollen, freiwilligen und reinigenden Geständnis.«
    Die Bogenschützen beugten sich nieder, um den Cellerar aufzuheben, doch dieser sträubte sich heftig, stemmte die Füße auf den Boden und gab zu verstehen, dass er reden wolle. Man gewährte es ihm, und er begann stammelnd, die Worte kamen ihm anfangs nur mühsam über die Lippen, sein Reden klang wie das Lallen eines Betrunkenen und hatte etwas Obszönes, und erst allmählich, während er sprach, fand er zu jener wilden Kraft zurück, die sein Geständnis erfüllt hatte.
    »Nein, Herr Inquisitor. Nicht die Folter! Ich bin ein Feigling. Ich habe damals verraten, ich habe meinen Glauben von einst elf Jahre lang verleugnet in diesem Kloster. Ich habe ihn tätig verleugnet, indem ich armen Winzern und Bauern den Zehnten abpresste, indem ich die Aufsicht führte über Scheuern und Ställe, damit sie blühten zur Bereicherung des Abtes. Ich habe mein Bestes gegeben bei der Verwaltung dieser Fabrik des Antichrist. Und ich ließ es mir gut ergehen, ich hatte die Zeit der Revolte vergessen, ich genoss die Freuden des Gaumens und andere mehr. Ich bin ein feiger Verräter. Vorhin verriet ich acht ehemalige Mitbrüder in Bologna, damals verriet ich Dolcino. Und als feiger Verräter, verkleidet im Gewande der Bischöflichen, habe ich die Gefangennahme Dolcinos und seiner Margaretha mit angesehen, damals, an jenem Karsamstag, als

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