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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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eine Stadt plündert, heißt: Alles einschmelzen, was man nicht mitnehmen kann. Man errichtet überall Schmelzöfen, und denk nur, all diese lichterloh brennenden Häuser, die sind doch wie lauter natürliche Herde. Und dann, du hast die Plünderer ja gesehen in der Kirche, sie können schlecht herumlaufen und allen zeigen, dass sie die Hostienteller und -kapseln aus den Tabernakeln genommen haben. Einschmelzen, sofort einschmelzen muss man die Dinger. Eine Plünderung«, dozierte Baudolino wie einer, der sein Handwerk kennt, »ist wie eine Weinlese, man muss sich die Aufgaben einteilen – da gibt es die Traubenpflücker, da gibt es die Leute, die den Most in die Bottiche füllen, da gibt es die, die den Pflückern zu essen bringen, und die, die den guten Wein vom Vorjahr holen ... Eine Plünderung ist eine ernsthafte Arbeit, jedenfalls wenn man will, dass in der Stadt kein Stein auf dem anderen bleibt, wie es zu meiner Zeit in Mediolanum war. Allerdings braucht man dazu Fachleute wie damals die Pavesaner, jawohl, die wussten, wie man eine Stadt dem Erdboden gleichmacht. Diese hier haben noch viel zu lernen, stell dir vor, sie haben die Statuen umgestürzt und sich dann draufgesetzt, um zu trinken, und dann ist einer gekommen, der hat ein Mädchen an den Haaren hinter sich hergezerrt und geschrien, sie sei noch Jungfrau, und alle haben den Finger reingesteckt, um zu sehen, ob es sich lohnte ... Bei einer gut gemachten Plünderung muss man sofort alles säuberlich leerräumen, Haus für Haus, erst danach darf man sich amüsieren, sonst nehmen die Gerissensten sich die besten Stücke ... Kurz und gut, mein Problem war, dass ich bei Leuten dieses Schlages nichts erreichte, wenn ich ihnen lang und breit erzählte, dass auch ich aus der Markgrafschaft Montferrat war. Also gab's nur eins zu tun: Ich lauerte hinter einer Ecke, bis ein Reiter in die Gasse einbog, der wegen der vielen Becher, die er geleert hatte, nicht mehr wusste, wo's langging, und sich einfach seinem Pferd überließ. Ich brauchte nichts weiter zu tun, als ihn an einem Fuß zu ziehen, und schon fiel er herunter. Ich nahm ihm den Helm ab und ließ ihm einen Stein auf den Kopf fallen ...«
    »Hast du ihn umgebracht?«
    »Nein, es war bröckeliges Zeug, gerade hart genug, um ihn außer Gefecht zu setzen. Ich musste mich überwinden, weil er anfing, blaurotes Zeug zu spucken, ich zog ihm das Kettenhemd und den Rock aus, nahm seinen Helm und seine Waffen, setzte mich auf sein Pferd, und nichts wie weg durch die Gassen, bis ich zum Portal der Hagia Sophia gelangte, wo ich Leute mit Maultieren reingehen sah, und heraus kam ein Trupp Soldaten, die silberne Kandelaber schleppten mitsamt ihren armdicken Aufhängeketten, und sie redeten wie Lombarden. Als ich dieses schamlose Treiben sah, dieses Raffen und Den-Hals-nicht-voll-kriegen-Können, da geriet ich in Rage, denn die sich da so schändlich benahmen, waren ja immerhin Leute aus meiner Heimat, fromme Söhne des Papstes in Rom ...«
    Unter solchen Gesprächen waren die beiden, gerade als ihre Fackeln zu Ende gingen, aus der Zisterne in die inzwischen stockdunkle Nacht hinausgestiegen und hatten durch menschenleere Gassen den Turm der Genueser erreicht.
    Sie hatten ans Tor geklopft, jemand war heruntergekommen, sie waren mit rauher Herzlichkeit empfangen und bewirtet worden. Baudolino schien bei diesen Leuten zu Hause zu sein, und er hatte Niketas sogleich ihrer Obhut empfohlen. Einer von ihnen hatte gesagt: »Kein Problem, wir kümmern uns drum, geht jetzt schlafen«, und das hatte er so sicher und überzeugend gesagt, dass danach nicht nur Baudolino, sondern sogar Niketas eine ruhige Nacht verbrachte.

 
    3. Kapitel
    Baudolino erklärt Niketas, was er
    als Junge geschrieben hatte
     
    Am nächsten Morgen hatte Baudolino die gewandtesten unter den Genuesern zusammengerufen, Pevere, Boiamondo, Grillo und Taraburlo. Niketas hatte ihnen gesagt, wo sie seine Familie finden würden, und sie waren gleich aufgebrochen, nicht ohne ihn noch einmal zu beruhigen. Dann hatte Niketas um Wein gebeten und Baudolino einen Becher eingeschenkt mit den Worten: »Koste einmal, ob du den magst, es ist geharzter Wein. Viele Lateiner finden ihn ungenießbar und sagen, er schmecke nach Schimmel.« Nachdem Baudolino ihm versichert hatte, dass dieser griechische Nektar sein Lieblingsgetränk sei, hatte Niketas sich zurechtgesetzt, um seine Geschichte zu hören.
    Baudolino schien begierig darauf, mit jemandem zu sprechen, als müsse er

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