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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Pferde mehr hatten, die Frauen mit Kleinkindern auf dem Arm, und manchmal stürzten sie unterwegs oder rutschten in die Gräben. Sie hatten sich in die Gegend zwischen Adda und Serio geflüchtet, wo sie ein paar elende Hütten fanden, in denen sie kreuz und quer übereinander schliefen.
    Das alles hatte jedoch den Mailändern noch nicht gereicht: Sie waren wiedergekommen, hatten die wenigen noch in der Stadt Versteckten gefangen genommen, alle Reben und Pflanzen abgehackt und schließlich die Häuser in Brand gesteckt, womit sie auch noch die meisten Hunde und Katzen liquidierten.
    Dergleichen Dinge kann ein Kaiser nicht dulden, und darum war Friedrich erneut nach Italien gezogen, mit einer großen Armee aus Burgundern, Lothringern, Böhmen, Ungarn, Schwaben, Franken und vielen anderen mehr. Als erstes hatte er ein neues Lodi in Montegezzone gegründet, dann ging er an die Belagerung Mailands, begeistert unterstützt von Truppen aus Pavia, Cremona, Pisa, Lucca, Florenz und Siena, Vicenza, Treviso, Padua, Ferrara, Ravenna, Modena und so weiter, die sich alle mit dem Kaiser verbündet hatten, um Mailand zu demütigen.
    Und sie demütigten es wirklich. Am Ende des Sommers ergab sich die Stadt, und die Mailänder unterzogen sich einem Ritual, durch das sich sogar Baudolino gedemütigt fühlte, obgleich er sonst nichts mit den Mailändern gemein hatte. Die Besiegten zogen in stiller Prozession vor den Sieger wie Leute, die um Gnade flehen, alle barfuß und in Sackleinen gehüllt, auch der Bischof, und die Bewaffneten trugen ihr Schwert um den Hals. Friedrich, nun wieder großmütig geworden, gab den Gedemütigten den Friedenskuss.
    Hat sich das nun für die gelohnt, fragte sich Baudolino, erst so großspurig und gewalttätig gegenüber Lodi aufzutreten und dann so beschämt die Hosen runterzulassen? Lohnt es sich, in diesem Lande zu leben, wo alle den Anschein erwecken, sie hätten gelobt, Selbstmord zu begehen, und wo einer dem anderen hilft, sich umzubringen? Ich will weg von hier! – In Wirklichkeit wollte er auch weg von Beatrix, denn irgendwo hatte er gelesen, dass die Liebeskrankheit durch Entfernung von der geliebten Person geheilt werden kann (und er hatte noch nicht andere Bücher gelesen, in denen umgekehrt behauptet wurde, dass es gerade die Entfernung sei, die das Feuer der Leidenschaft anfacht). So ging er zu Friedrich, um ihn an Ottos Rat zu erinnern und sich nach Paris schicken zu lassen.
    Er fand den Kaiser, wie er betrübt und aufgebracht in seinem Zimmer hin und her ging, während Rainald von Dassel in einer Ecke wartete, dass er sich beruhigte. Nach einer Weile blieb Friedrich stehen, sah Baudolino in die Augen und sagte: »Junge, du bist mein Zeuge: Ich mühe mich ab, die Städte Italiens unter ein einheitliches Gesetz zu stellen, aber jedes Mal muss ich wieder von vorne anfangen. Vielleicht ist mein Gesetz falsch? Wer sagt mir, ob mein Gesetz richtig ist?« Darauf Baudolino, fast ohne zu überlegen: »Mein lieber Vater, wenn du so zu fragen anfängst, kommst du an kein Ende mehr, dabei gibt es den Kaiser doch gerade deswegen. Er ist nicht Kaiser, weil er die richtigen Ideen hat, sondern die Ideen sind richtig, weil er sie hat, und basta!« Friedrich sah ihn verdattert an, dann sagte er zu Rainald: »Dieser Junge sagt die Dinge besser als ihr alle! Wenn seine Worte jetzt noch in gutes Latein gesetzt wären, klängen sie ganz wunderbar.«
    » Quod principi placuit legis habet vigorem – was dem Fürsten gefällt, hat Gesetzeskraft«, sagte Rainald von Dassel. »Ja, das klingt sehr weise und unumstößlich. Aber es müsste im Evangelium geschrieben stehen, wie soll man sonst alle Welt dazu bringen, diese schöne Idee gutzuheißen?«
    »Wir haben ja gesehen, was in Rom passiert ist«, sagte Friedrich, »wenn ich mich vom Papst salben lasse, akzeptiere ich damit, dass seine Macht größer ist als meine, und wenn ich den Papst am Kragen packe und in den Tiber werfe, gelte ich als eine Geißel Gottes, die nicht einmal ein Attila gutheißt. Wo zum Teufel finde ich jemanden, der meine Rechte definieren kann, ohne zu beanspruchen, dass er über mir steht? So jemanden gibt es in der ganzen Welt nicht.«
    »Vielleicht gibt es keine solche Macht«, sagte Baudolino, »aber es gibt das Wissen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Als Bischof Otto mir erklärte, was ein Studium ist, sagte er, dass diese Gemeinschaften von Meistern und Schülern aus eigener Kraft funktionieren, die Schüler kommen von überall in der Welt,

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