Die historischen Romane
duftende Orte, zum Beispiel eine Wiese nahe der Abtei von Saint-Germain, wo man herrliche Nachmittage beim Ballspiel verbringen konnte.
Er schilderte auch seine Mühen in den ersten Tagen, als es darum ging, ein Zimmer für sich und seinen Gefährten zu finden, ohne sich von den Vermietern um seine ganze Barschaft bringen zu lassen. Für teures Geld hatten sie schließlich einen ausreichend großen Raum gefunden, möbliert mit einem Tisch, zwei Bänken, Regalen für die Bücher und einer Truhe. Zum Schlafen gab es ein hohes Bett mit einer Flaumdecke aus Straußenfedern und ein niedriges auf Rollen mit einer Flaumdecke aus Gänsefedern, das tagsüber unter das hohe geschoben wurde. Der Brief verschwieg, dass die beiden Zimmergenossen, was die Verteilung der Betten anging, nach kurzem Zögern beschlossen hatten, jeden Abend mittels einer Schachpartie um das bequemere Bett zu spielen, denn Schach galt am Hof als ein nicht sehr empfehlenswertes Spiel.
Ein anderer Brief berichtete, dass sie morgens zu sehr früher Stunde aufstehen mussten, denn die Vorlesungen begannen um sieben und dauerten bis zum späten Nachmittag. Mit einem schönen Stück Brot und einem Becher Wein bereitete man sich darauf vor, den Magistern in einer Art Stall zu lauschen, wo man am Boden auf einer dünnen Lage Stroh saß und es kälter als draußen war. Beatrix war gerührt und empfahl, nicht mit dem Wein zu sparen, sonst fühle ein junger Mann sich den ganzen Tag flau im Magen, und sich einen Diener zu nehmen, nicht nur, damit er die schweren Bücher trage, die selber zu tragen sich für eine Person von Rang nicht schicke, sondern auch, damit er Holz kaufe und rechtzeitig den Kamin im Zimmer anheize, so dass es am Abend schön warm sei. Und für all diese Ausgaben schickte sie vierzig Susaner Solidi, eine Summe, die ausreichte, um einen Ochsen zu kaufen.
Der Diener wurde nicht genommen und das Holz nicht gekauft, da die beiden Federbetten durchaus für die Nacht genügten, und das Geld wurde vernünftiger ausgegeben, da man die Abende in Tavernen verbrachte, die sehr gut geheizt waren und es erlaubten, nach einem Tag voll anstrengender Studien neue Kräfte zu sammeln, indem man Becher leerte und den Kellnerinnen in den Hintern kniff. Außerdem konnte man sich an jenen Orten fröhlicher Labung, zum Beispiel im Silbernen Schild, im Eisernen Kreuz oder in den Drei Kandelabern, zwischen einem Schluck und dem anderen mit Schweine- oder Hühnerpasteten, zwei Täubchen oder einer gebratenen Gans erquicken, und wenn man ärmer war mit einem Teller Kutteln oder Hammelfleisch. Baudolino half dem mittellosen Poeten, nicht bloß von Kutteln zu leben. Doch der Poet war ein kostspieliger Freund, denn die Menge Weines, die er vertrug, ließ den Susaner Ochsen zusehends abmagern.
Diese Details überspringend, berichtete Baudolino sodann von seinen Lehrern und den schönen Dingen, die er bei ihnen lernte. Beatrix war sehr empfänglich für diese Offenbarungen, die ihr erlaubten, ihren Wissensdurst zu stillen, und so las sie mit großer Aufmerksamkeit diese Briefe, in denen Baudolino ihr von Grammatik, Dialektik und Rhetorik erzählte, von Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Doch Baudolino fühlte sich immer niederträchtiger, denn er verschwieg ihr nicht nur, was sein Herz bedrängte, sondern auch alles andere, was er tat und was man weder einer Mutter noch einer Schwester erzählen konnte, weder einer Kaiserin noch gar der geliebten Frau.
Erstens spielten sie häufig Ball, was zwar an sich harmlos wäre, aber dabei kam es oft zu Raufereien mit den Leuten der Abtei von Saint-Germain oder auch zwischen Studenten verschiedener Herkunft, zum Beispiel denen aus der Picardie und denen aus der Normandie, und dann beschimpfte man sich auf Lateinisch, damit auch jeder richtig verstand, dass und wie er beleidigt wurde. Lauter Dinge, die dem Grand Prévost von Paris nicht gefielen, weshalb er seine Bogenschützen losschickte, um die Hitzigsten zu verhaften. Versteht sich, dass die Studenten an diesem Punkt ihre Differenzen vergaßen und sich alle gemeinsam gegen die Bogenschützen wandten.
Niemand in der Welt war jedoch korrupter als die Bogenschützen des Prévost von Paris, und so mussten jedes Mal, wenn ein Student verhaftet wurde, alle in die Tasche greifen, um ihn wieder freizubekommen. Das aber machte die Pariser Vergnügungen noch kostspieliger.
Zweitens wird ein Student, der keine amourösen Affären hat, von seinen Gefährten verspottet. Leider
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