Die historischen Romane
mitbekommt, was du gefunden hast, wird er nicht zögern, es uns zu entwenden, um es in seine eigene Stadt zu bringen. Ich lasse drei hölzerne Tragbahren machen, auf denen bringt ihr sie nachts aus der Stadt, und wenn ihr gefragt werdet, sagt, es seien die Leichen dreier tapferer Freunde, die bei der Belagerung gefallen seien. Es genügt, wenn ihr zu dritt seid: du, der Poet und einer von meinen Dienern. Ihr bringt sie an einen sicheren Ort, wo sie fürs erste bleiben können. Bevor ich sie nach Köln mitnehmen kann, müssen glaubwürdige Zeugnisse über die Herkunft der Reliquien und über die Magier selbst produziert werden. Kehre gleich morgen zurück nach Paris, wo du gelehrte Männer kennst, und finde alles über ihre Geschichte heraus, was du nur finden kannst.«
In der Nacht wurden die drei Könige in eine Krypta der Sankt-Georgs-Kirche außerhalb der Mauern verbracht. Rainald wollte sie sehen, doch als er sie erblickte, brach er in eine Reihe von nicht gerade erzbischöflich anmutenden Verwünschungen aus: »Mit Hosen? Und mit dieser Mütze, die wie eine Narrenkappe aussieht?«
»Herr Rainald, so waren offenbar damals die Könige aus dem Morgenland gekleidet. Vor Jahren war ich einmal in Ravenna und habe dort ein Mosaik gesehen, in dem die drei Magier auf dem Kleid der Kaiserin Theodora mehr oder weniger so dargestellt waren.«
»Na ja, das mag vielleicht diese Graeculi in Byzanz überzeugen. Aber stell dir vor, ich präsentiere die Magier in Köln, angezogen wie Jahrmarktszauberer! Zieht sie anders an.«
»Und wie?« fragte der Poet.
»Und wie, und wie! Ich lasse dich an meinem Hof essen und trinken wie ein Feudalherr, dafür dass du mir zwei oder drei Gedichte im Jahr schreibst, und du weißt nicht, wie du mir diejenigen anziehen sollst, die als erste unseren Herrn Jesus Christus angebetet haben?! Natürlich so, wie die Leute glauben , dass sie angezogen sein mussten! Als Bischöfe, als Päpste, als Archimandriten, was weiß ich?«
»Die Hauptkirche und der Bischofspalast sind geplündert worden, vielleicht können wir noch irgendwo heilige Paramente auftreiben. Ich werde es versuchen«, sagte der Poet.
Es war eine schreckliche Nacht. Die Paramente hatten sich auftreiben lassen, auch etwas, das aussah wie drei Tiaren, aber das Problem war, die drei Mumien zu entkleiden. Die Gesichter mochten ja noch wie lebendig erscheinen, aber die Körper waren – bis auf die völlig vertrockneten Hände – nur noch ein Geflecht aus Weidenruten und Stroh, das bei jedem Versuch, ihnen die Kleider auszuziehen, sofort auseinanderfiel. »Egal«, sagte Rainald, »wenn sie erstmal in Köln sind, wird niemand mehr den Schrein öffnen. Führt Stöcke ein, irgendwas, das sie aufrecht hält, wie man's bei Vogelscheuchen macht. Aber respektvoll bitte!«
»Herrje«, lamentierte der Poet, »auch sturzbesoffen hätte ich nie gedacht, dass ich irgendwann mal den Heiligen Drei Königen hinten reinfahren würde.«
»Sei still und mach«, sagte Baudolino. »Wir handeln zum höheren Ruhme des Reiches.« Der Poet fluchte gotteslästerlich, aber am Ende sahen die Magier aus wie Kardinäle der Heiligen Römischen Kirche.
Am nächsten Morgen reiste Baudolino nach Paris ab. Dort machte ihn Abdul, der über die orientalischen Dinge einiges wusste, mit einem Kanonikus von Sankt Viktor bekannt, der noch viel mehr darüber wusste.
»Die Magier aus dem Morgenland, ha!« sagte er. »In der Tradition werden sie dauernd genannt, und viele Kirchenväter haben von ihnen gesprochen, aber drei der vier Evangelien verschweigen sie, und die Zitate aus Jesaja und anderen Propheten sind unklar, manche haben sie so gelesen, als sprächen sie von den Magiern, aber sie könnten auch anderes gemeint haben. Wer waren sie, wie hießen sie wirklich? Einer sagt Hormidz aus Seleukia, König von Persien, Jazdegard, König von Saba, und Peroz, König von Seba; andere Hor, Basander und Karundas. Aber nach Auskunft höchst glaubwürdiger Autoren hießen sie Gaspar, Melkon und Baldassarre, oder Melco, Caspare und Fadizzarda. Oder auch Magalath, Galgalath und Saracin. Oder vielleicht Appelius, Amerus und Damascus ...«
»Appelius und Damascus sind sehr schöne Namen, sie erinnern an ferne Länder«, sagte Abdul versonnen.
»Und wieso Karundas nicht?« protestierte Baudolino. »Es geht nicht darum, drei Namen zu finden, die dir gefallen, sondern drei richtige Namen.«
Der Kanonikus fuhr fort: »Ich würde für Bithisarea, Melichiorre und Gataspha
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