Die historischen Romane
entschieden«, sagte der Boidi, »aber das ist nicht der Punkt, der Name ist schön genug, jedenfalls ist er nicht hässlicher als viele andere. Was mir auf den Magen drückt, ist, dass wir uns den Arsch aufreißen, um eine Stadt zu bauen, und dann schenken wir sie dem Papst, der schon so viele hat. Am Ende müssen wir ihm auch noch Tribut zahlen, und dreh's, wie du willst, es ist immer Geld, das man berappen muss, und dann könnten wir's genauso gut auch dem Kaiser zahlen.«
»Boidi, red nicht immer so«, sagte der Cuttica. »Erstens will der Kaiser die Stadt gar nicht haben, nicht mal, wenn er sie geschenkt kriegen würde, und wenn er sie annähme, hätte sich's gar nicht gelohnt, sie zu bauen. Und zweitens ist es eine Sache, dem Kaiser keinen Tribut zu zahlen, der einen überfällt und in Klump haut, wie er's mit Mailand getan hat, und eine andere, dem Papst keinen Tribut zu zahlen, der tausend Meilen entfernt ist und bei all dem Ärger, den er hat, sicher kein Heer schicken wird, bloß um ein paar Kröten einzutreiben.«
»Und drittens«, mischte sich Baudolino ein, »wenn ihr mir auch was zu sagen erlaubt – ich bin hier nur reingeschneit, aber ich habe in Paris studiert, und wie man Briefe und Urkunden aufsetzt, darin habe ich eine gewisse Erfahrung –, man kann eine Schenkung so und so machen. Ihr verfertigt ein Dokument, in dem ihr erklärt, dass Alexandria zu Ehren von Papst Alexander gegründet und, sagen wir, dem Sankt Peter geweiht worden ist. Zum Beweis baut ihr eine Kathedrale für Sankt Peter auf lehnsfreiem Grund. Und ihr baut sie mit Geldern, die vom ganzen Stadtvolk gespendet werden. Dann macht ihr sie dem Papst zum Geschenk, mit allen Formeln, die euren Notaren als die passendsten und verpflichtendsten erscheinen. Würzt das Ganze mit Ausdrücken der Verehrung, der Kindesliebe gegenüber dem Heiligen Vater und solchen Sachen, schickt ihm das Pergament und nehmt seine Segnungen an. Wer immer dann darangeht, das Pergament genauer zu studieren, wird sehen, dass ihr ihm letztlich nur die Kathedrale geschenkt habt und nicht die ganze Stadt, aber ich will den Papst sehen, der herkommt, um sich die Kathedrale zu holen und mit nach Rom zu nehmen.«
»Vortrefflich«, sagte Oberto, und alle stimmten zu. »Wir machen es so, wie Baudolino sagt, er scheint mir sehr schlau zu sein, und ich hoffe wirklich, dass er hierbleibt, um uns noch weitere gute Ratschläge zu geben, wo er doch auch ein großer Pariser Doktor ist.«
Hier musste Baudolino das heikelste Problem jenes schönen Tages lösen, nämlich enthüllen, ohne dass ihm jemand deswegen eine Moralpredigt halten konnte, waren sie doch bis vor kurzem selbst noch Kaiserliche gewesen, dass er ein Ministeriale Friedrichs war und sich ihm auch durch Sohnesliebe verbunden fühlte – und so erzählte er ihnen kurz entschlossen die ganze Geschichte dieser wunderbaren dreizehn Jahre, wozu Gagliaudo nur wiederholt brummeln konnte: »Wer hätte das gedacht!«, »Wenn mir das einer erzählt hätte, ich hätt's nicht geglaubt!« und: »Da schau her, ich hab dich für einen noch größeren Nichtsnutz als die anderen gehalten, und jetzt bist du wirklich jemand geworden!«
»Nicht alle Übel sind schädlich«, sagte daraufhin der Boidi. »Alexandria ist noch nicht fertig, und schon haben wir einen von uns am Hofe des Kaisers. Lieber Baudolino, du darfst deinen Kaiser nicht verraten, wo du ihn doch so gern hast und er dich auch. Bleib bei ihm, aber vertritt unsere Sache vor ihm, wann immer es nötig ist. Es handelt sich um deine Heimat, also wird dir niemand übelnehmen, wenn du sie verteidigst – in den Grenzen der Loyalität, versteht sich.«
»Aber heute Abend gehst du besser deine liebe und fromme Frau Mutter besuchen und schläfst in der Frascheta«, sagte Oberto zartfühlend, »und morgen gehst du fort, ohne hier noch mal herzukommen und nachzusehen, wie die Straßen verlaufen und wie fest die Mauern sind. Wir sind sicher, wenn du eines Tages erfahren würdest, dass wir in einer großen Gefahr schweben, würdest du uns aus Liebe zu deinem leiblichen Vater eine Warnung zukommen lassen. Aber wenn du dazu den Mut hast, wer weiß, ob du nicht aus den gleichen Gründen auch deinen Adoptivvater vor irgendeiner Maßnahme unsererseits warnen würdest, die für ihn allzu schmerzlich sein könnte. Daher ist es besser, du weißt möglichst wenig.«
»Ja, mein Sohn«, sagte nun auch Gagliaudo, »tu wenigstens einmal was Gutes nach all dem Ärger, den du mir gemacht
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