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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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in Form von Blüten, Pflanzen oder Schmuckgegenständen anbot.
    »Nicht gleich, die Belagerung war erst sechs Jahre später. Nachdem ich die Geburt der Stadt miterlebt hatte, ging ich zu Friedrich zurück und erzählte ihm, was ich gesehen hatte. Ich war noch nicht ganz fertig, da tobte er schon los. Eine Stadt dürfe nur mit Einwilligung des Kaisers gegründet werden, brüllte er, und wenn sie ohne diese Einwilligung gebaut werde, müsse sie dem Erdboden gleichgemacht werden, noch ehe sie fertig gebaut worden sei, sonst könne ja jeder nach Gutdünken handeln ohne das Plazet des Kaisers, und was würde dann aus dem nomen imperii ... Später beruhigte er sich wieder, aber ich kannte ihn gut, er würde es nicht verzeihen. Zum Glück war er dann ungefähr sechs Jahre lang erstmal mit anderen Dingen beschäftigt. Er erteilte mir verschiedene Aufträge, unter anderem den, die Absichten der Alexandriner zu erkunden. So begab ich mich zweimal nach Alexandria, um zu sehen, ob meine Mitbürger irgendwelche Zugeständnisse machen würden. Tatsächlich waren sie bereit, sehr viele zu machen, aber Friedrich wollte in Wahrheit nur eines, nämlich dass die Stadt im Nichts verschwand, aus dem sie gekommen war. Du kannst dir vorstellen, wie die Alexandriner darauf reagierten, ich wage nicht, dir zu wiederholen, was sie mir auftrugen, ihm zu wiederholen ... Im übrigen machte ich mir bewusst, dass meine Reisen nur ein Vorwand waren, um sowenig wie möglich am Hofe zu sein, denn es tat mir immer noch weh, der Kaiserin zu begegnen und mein Gelübde zu halten ...«
    »Du hast es gehalten«, fragte Niketas im Ton einer Feststellung.
    »Ich habe es gehalten, und zwar für immer. Kyrios Niketas, ich mag zwar ein Pergamentfälscher sein, aber ich weiß, was Ehre ist. Beatrix hat mir geholfen, das Gelübde zu halten. Die Mutterschaft hatte sie verändert. Oder jedenfalls gab sie das vor, ich habe nie herausgefunden, was sie wirklich für mich empfand. Ich litt, doch ich war ihr dankbar für die Art, wie sie mir half, mich mit Anstand und Würde zu benehmen.«
    Baudolino hatte inzwischen die Schwelle zum dreißigsten Lebensjahr überschritten und war versucht, den Brief des Priesters Johannes als einen Studentenjux zu betrachten, eine schöne Übung im Briefeschreiben, einen jocus , ein ludibrium . Doch eines Tages traf er seinen alten Studienfreund, den Poeten wieder, der nach Rainalds Tod keinen Beschützer mehr hatte, und man weiß ja, wie es in solchen Fällen bei Hofe geht: Du bist nichts mehr wert, und einige fangen schon an zu sagen, auch deine Gedichte taugten nicht eben viel. Von der Demütigung und vom Groll zerfressen, hatte der Poet einige überaus leichtlebige Jahre in Pavia verbracht, wo er das einzige tat, was er wirklich konnte, nämlich trinken und die Gedichte Baudolinos vortragen (besonders einen Vers, der prophetisch fragte: Quis Papie demorans castus habeatur – Wer kann, in Pavia wohnend, keusch bleiben?). Baudolino nahm ihn mit sich an den Hof, und in seiner Gesellschaft erschien der Poet wie einer von Friedrichs Mannen. Zudem war inzwischen sein Vater gestorben, er hatte sein Vermögen geerbt, und selbst die Feinde des verstorbenen Rainald sahen in ihm nicht mehr einen Parasiten, sondern einen miles unter vielen und nicht schlimmer als die anderen.
    Gemeinsam riefen sie sich die Zeiten des Briefes in Erinnerung und beglückwünschten sich erneut zu dieser schönen Unternehmung. Ein Spiel als Spiel zu betrachten hieß ja nicht, es nicht mehr zu spielen. In Baudolino war die Sehnsucht nach jenem nie gesehenen Reich lebendig geblieben, und immer wieder hatte er, wenn er allein war, sich den Brief laut vorgelesen und seinen Stil weiter perfektioniert.
     
    »Der Beweis, dass ich den Brief nicht vergessen konnte, war, dass ich Friedrich dazu überreden konnte, meine Pariser Freunde an seinen Hof kommen zu lassen, alle miteinander. Ich sagte ihm, dass es gut sei, wenn in der Kanzlei eines Kaisers Leute säßen, die eine gute Kenntnis der Sprachen und Gebräuche anderer Länder hätten. In Wahrheit wollte ich, da Friedrich mich immer häufiger als seinen vertraulichen Boten benutzte, mir einen eigenen kleinen Hofstaat schaffen, bestehend aus dem Poeten, Abdul, Boron, Kyot und Rabbi Solomon.«
    »Du willst mir doch nicht erzählen, dass der Kaiser sich einen Juden an den Hof geholt hat!«
    »Warum nicht? Er musste ja nicht gerade bei den großen Feierlichkeiten in Erscheinung treten oder mit ihm und seinen Erzbischöfen in

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