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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Gedenken an den Fund, den er im eroberten Mailand gemacht hatte, etwas wie eine Vision: Drei Kaufleute, die auf drei Eseln durch einen Bogen in der Mauer geritten kamen, erschienen ihm als die drei Magierkönige, gefolgt von ihren Dienern, die kostbare Gefäße und Tücher trugen. Und hinter ihnen, auf der anderen Seite des Tanaro, schien ihm, als sähe er Herden die Hänge des schon silbern sich färbenden Hügels herunterkommen, begleitet von Hirten, die Schalmeien und Querpfeifen spielten, und orientalische Kamelkarawanen mit Mohren in buntgestreiften Gewändern und hohen Turbanen. Da und dort auf dem Hügel erloschen allmählich einzelne Feuer unter dem immer dichter werdenden Schneetreiben, aber eines von ihnen erschien ihm wie ein großer Schweifstern, der sich am Himmel auf die entstehende Stadt zubewegte.
    »Siehst du nun, was eine Stadt ist?« sagte der Ghini. »Und wenn sie jetzt schon so ist, wo sie noch nicht mal fertig ist, wie wird sie dann erst nachher sein? Ich sage dir, das wird ein ganz anderes Leben. Jeden Tag siehst du neue Leute – für die Händler und Kaufleute, stell dir vor, muss das wie ein Himmlisches Jerusalem sein, und was die Ritter betrifft, der Kaiser hat ihnen verboten, Land zu verkaufen, damit der Besitz nicht geteilt wird, und so sind sie elend verhungert auf ihrem Land. Hier dagegen befehligen sie Kompanien von Bogenschützen, kommen hoch zu Ross daher und erteilen Befehle nach rechts und nach links. Aber nicht nur den Rittern und den Kaufleuten geht es hier gut, es ist auch ein Segen für Leute wie deinen Vater, der nicht viel Land hat, aber ein bisschen Vieh, denn in die Stadt kommen Leute, die danach fragen und mit richtigem Geld dafür bezahlen. Man bezahlt immer öfter mit klingender Münze und nicht mit anderen Waren im Tausch, ich weiß nicht, ob du begreifst, was das heißt: Wenn du zwei Hühner für drei Kaninchen nimmst, musst du sie früher oder später essen, sonst werden sie schlecht, aber zwei Münzen, die kannst du unter deinem Bett verstecken, und die sind auch nach zehn Jahren noch gut, und wenn du Glück hast, bleiben sie sogar dort, wenn Feinde dein Haus überfallen. Und dann – so war es in Mailand und in Lodi und in Pavia, und so wird es auch hier kommen –, es ist nicht etwa so, dass hier die Ghinis oder Aularis den Mund halten müssen und nur die Guascos oder Trottis das Sagen haben, wir reden hier alle mit, wenn es was zu entscheiden gibt, hier kannst du was werden, auch wenn du kein Adliger bist, das ist das Schöne an einer Stadt, und es ist besonders schön für einen, der kein Adliger ist, dafür ist er sogar bereit, sich umbringen zu lassen, wenn's nötig ist (aber natürlich lieber nicht), damit seine Kinder rumlaufen und sagen können: Ich heiße Ghini, und auch wenn du Trotti heißt, bist du trotzdem ein Depp.«
     
    Versteht sich, dass Niketas an diesem Punkt fragte, wie denn diese gesegnete Stadt hieß. Nun, wohlan (großes Erzähltalent, dieser Baudolino, dem es gelungen war, die Enthüllung bis zu diesem Moment in der Schwebe zu halten), die Stadt hatte noch keinen Namen, man nannte sie nur allgemein Civitas Nova, was bloß ein Gattungsname war, keiner des Individuums. Die Wahl des Namens hing davon ab, wie ein anderes Problem gelöst werden würde, das kein geringes war, nämlich das der Legitimation. Wodurch erwirbt eine neue Stadt Existenzrecht, wenn sie keine Geschichte und keinen Adel hat? Höchstens durch kaiserliche Ermächtigung, so wie der Kaiser jemanden zum Ritter schlagen kann, aber hier ging es um eine Stadt, die gegen den Willen des Kaisers entstanden war. Also was? Baudolino und Ghini kehrten in die Taverne zurück, als dort gerade alle genau über dieses Problem diskutierten.
    »Wenn diese Stadt außerhalb des kaiserlichen Gesetzes entsteht, kann sie ihre Legitimität nur durch ein anderes Gesetz erhalten, das ebenso alt und mächtig ist.«
    »Und wo finden wir das?«
    »Nun, im Constitutum Constantini , in der Konstantinischen Schenkung, jener Donation, die Kaiser Konstantin der Kirche gemacht hat, um ihr das Recht auf territoriale Herrschaft zuzusprechen. Wir schenken die Stadt ganz einfach dem Papst, und da es im Augenblick zwei Päpste gibt, schenken wir sie demjenigen, der auf der Seite des Gesetzes steht, also Alexander III. Wie wir schon in Lodi sagten, vor Monaten: Die Stadt wird Alexandria heißen und päpstliches Lehen sein.«
    »In Lodi hättest du besser das Maul gehalten, denn wir hatten damals noch nichts

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