Die historischen Romane
nur wenige Pferde gibt. Und hier, wo wir nur die Salamander genannt haben, heißt es, dass sie eine Art von Würmern sind, die sich mit einem Häutchen umgeben wie die Würmer, welche die Seide hervorbringen, und dass diese Häutchen von den Frauen des Palastes bearbeitet werden, um daraus königliche Kleider und Tücher zu machen, die sich nur in lodernden Flammen waschen lassen.«
»Was, was?« fragte Baudolino alarmiert.
»Und schließlich«, fuhr Abdul fort, »stehen hier in der Liste der Wesen, die das Reich bewohnen, zwischen den Menschen mit Hörnern, Faunen, Satyrn, Pygmäen und Kynozephalen auch Methagallinarii, Cametheterni und Thinsiretae, lauter Kreaturen, die wir nicht genannt haben.«
»Bei der gottgebärenden Jungfrau!« rief Baudolino aus. »Die Geschichte mit den Würmern hat mir Zosimos erzählt! Und es war Zosimos, der mir gesagt hat, dass es laut Kosmas Indikopleustes in Indien keine Pferde gibt! Und es war auch Zosimos, der mir die Methagallinarii und diese anderen Viecher hier genannt hat! O dieser Hurensohn, dieser verfluchte Dreckskerl, dieser Dieb, Betrüger, Fälscher, Verräter, Heuchler, Lügner, Lüstling, Wüstling, Halunke, Strolch, Straßenräuber, Verbrecher, Ketzer, Gotteslästerer, Wucherer, Sodomit, Simonist, Zwietrachtstifter und Tückebold!«
»Was hat er dir denn getan?«
»Versteht ihr noch immer nicht? An dem Abend, als ich ihm den Brief gezeigt hatte, da hat er mich betrunken gemacht und sich eine Abschrift angefertigt! Dann ist er zu seinem verdammten Basileus zurück, hat ihm eingeblasen, dass Friedrich dabei sei, sich als Freund und Erbe des Priesters Johannes zu offenbaren, und da haben sie gemeinsam einen anderen Brief aufgesetzt, der an Manuel gerichtet ist, und sind uns zuvorgekommen, bevor wir unseren in Umlauf gebracht haben. Deswegen gibt er sich hier so hochnäsig gegenüber dem Basileus, damit einem nicht der Verdacht kommt, dass er von seiner eigenen Kanzlei produziert worden ist! Deswegen enthält er so viele griechische Wörter, damit der Eindruck entsteht, dies sei die lateinische Übersetzung eines griechischen Originals von Johannes. Aber er ist auf Lateinisch abgefasst worden, denn er soll ja nicht den byzantinischen Basileus überzeugen, sondern die Kanzleien der lateinischen Herrscher und den Papst!«
»Hier ist noch etwas, das wir übersehen haben«, sagte Kyot. »Erinnert euch an die Sache mit dem Gradal, den der Priester dem Kaiser schicken wollte: Wir hatten uns sehr zurückhaltend ausgedrückt und nur eine echte Lade, veram arcam , erwähnt ... Hast du darüber mit Zosimos gesprochen?«
»Nein«, sagte Baudolino, »darüber habe ich geschwiegen.«
»Siehst du, und dein Zosimos hat hier yerarcam geschrieben. Der Priester schickt dem Basileus ein yerarcam .«
»Und was soll das sein?« fragte der Poet.
»Das weiß Zosimos selber nicht«, sagte Baudolino. »Seht euch mal unser Original an: An dieser Stelle ist Abduls Schrift nicht gut leserlich. Zosimos hat nicht verstanden, worum es geht, er dachte wohl, es handle sich um ein seltenes, geheimnisvolles Geschenk, von dem nur wir Kenntnis hätten, und so erklärt sich dieses seltsame Wort. O Mist, verdammter! Alles meine Schuld, weil ich ihm vertraut habe! Was für eine Schande, wie soll ich das bloß dem Kaiser erklären?«
Es war nicht das erste Mal, dass sie Lügen erzählten. Sie erklärten dem Kanzler und Friedrich, dass der Brief offensichtlich von jemandem aus der Kanzlei Manuels verfasst worden sei, um Friedrich daran zu hindern, den seinen herumzureichen, aber sie fügten hinzu, es gebe womöglich einen Verräter in der Kanzlei des Heiligen Römischen Reiches, der eine Abschrift ihres Briefes nach Konstantinopel habe gelangen lassen. Friedrich schwor, dass er dem Kerl, wenn er ihn erwische, sämtliche Glieder und Gliedmaßen einzeln ausreißen werde.
Dann fragte er, ob sie sich nicht vielleicht Sorgen machen müssten wegen einer möglichen Initiative von Manuel. Was, wenn der Brief geschrieben worden wäre, um einen Feldzug nach Indien zu rechtfertigen? Christian gab ihm dezent zu bedenken, dass Manuel gerade erst vor zwei Jahren nach Phrygien gegen den seldschukischen Sultan von Ikonion gezogen war und eine dramatische Niederlage in Myriokephalon hatte einstecken müssen. Genug, um ihn für den Rest seines Lebens von Indien fernzuhalten. Ja, wenn man es genau bedachte, sei dieser Brief gerade ein Versuch Manuels, ein recht kindischer freilich, sich wieder ein bisschen Prestige zu
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