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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Hügeln heruntergekommen und stolzierten durch die Straßen, noch ohne bestimmte Uniformen, nur mit blauen Halstüchern, und ballerten MP-Salven in die Luft, um ihre Anwesenheit zu bekunden. Die Nachricht verbreitete sich im Nu, alle schlossen sich in ihren Häusern ein, man wusste ja noch nicht, was für Leute das waren. Tante Caterina äußerte eine leichte Besorgnis, immerhin hieß es, das wären Freunde von Adelino Canepa, oder jedenfalls nannte sich Adelino Canepa ein Freund von ihnen, sie würden doch wohl dem Onkel nichts tun? Sie taten. Wir wurden informiert, dass gegen elf ein Trupp Partisanen mit vorgehaltener MP das Finanzamt gestürmt hatte, sie hätten den Onkel verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt. Tante Caterina warf sich aufs Bett, fing an, einen weißlichen Schaum zu spucken, und schrie, Onkel Carlo würde umgebracht werden. Es genüge ein Schlag mit dem Gewehrkolben, und wegen der Metallplatte unter der Schädelhaut würde er auf der Stelle tot sein. Angelockt vom Geschrei der Tante, kam Adelino Canepa mit seiner Frau und den Kindern gelaufen. Die Tante schrie, er wäre ein Judas, er sei es gewesen, der den Onkel bei den Partisanen denunziert hätte, weil er die Steuern für Mussolini erhebe, Adelino Canepa schwor bei allem, was ihm heilig war, dass er's nicht gewesen sei, aber man sah, dass er sich schuldig fühlte, weil er zu viel herumerzählt hatte. Die Tante jagte ihn fort. Adelino Canepa brach in Tränen aus, appellierte an meine Mutter, erinnerte sie an die vielen Male, wo er ihr ein Karnickel oder ein Hähnchen für eine lächerliche Summe überlassen hätte, meine Mutter hüllte sich in ein würdiges Schweigen, Tante Caterina spuckte weiter weißlichen Schaum. Ich heulte. Schließlich, nach zwei Stunden Heulen und Zähneklappern, hörten wir draußen Rufe, und Onkel Carlo erschien auf einem Fahrrad, das er mit seinem einen Arm lenkte, und es sah aus, als käme er von einer Spazierfahrt heim. Er sah sofort ein Durcheinander im Garten und hatte die Stirn zu fragen, was passiert sei. Er hasste Dramen, wie alle Leute in unserer Gegend. Er eilte hinauf, trat ans Schmerzenslager von Tante Caterina, die immer noch zappelte mit ihren mageren Beinen, und fragte, wieso zum Teufel sie sich so aufregte.«
    »Und was war passiert?«
    »Nun, vermutlich hatten die Partisanen die Gerüchte von Adelino Canepa gehört, hatten Onkel Carlo als einen örtlichen Repräsentanten des Regimes identifiziert und gefangengenommen, um ihm und dem ganzen Ort eine Lektion zu erteilen. Er war auf einem Lastwagen abtransportiert worden und hatte sich dann vor Terzi wiedergefunden, der schimmernd im Glanz seiner Orden vor ihm stand, die MP in der Rechten, die Linke auf seine Krücke gestützt. Und Onkel Carlo – aber ich glaube wirklich nicht, dass es Schläue war, es war eher Instinkt, Gewohnheit, ritterliches Ritual – hatte die Hacken zusammengeschlagen und salutiert: Major der Alpini Carlo Covasso, Kriegsveteran und Schwerinvalide, Silbermedaille. Und Terzi hatte gleichfalls die Hacken zusammengeschlagen und salutiert: Maresciallo Rebaudengo von den Königlichen Carabinieri, Kommandant der Badoglianischen Brigade Bettino Ricasoli, Bronzemedaille. Wo? hatte Onkel Carlo gefragt. Und Terzi in Habachtstellung: Am Pordoi, Herr Major, Höhe 327. Teufel auch, hatte Onkel Carlo gesagt, ich war auf Höhe 328, drittes Regiment, Sasso di Stria! Die Schlacht am Sonnwendtag? Jawoll, die Schlacht am Sonnwendtag. Und die Kanonade bei den Fünf Fingern? Gottverdammich, wenn ich das nicht mehr wüsste! Und dieser Sturmangriff mit gezücktem Bajonett am Abend vor San Crispino? Potzblitzsakrament! – Naja, solche Sachen. Dann, der eine einarmig, der andere einbeinig, hatten sie beide wie ein Mann einen Schritt vorgetan und sich umarmt. Terzi hatte gesagt: Sehen Sie, Cavaliere, sehen Sie, Herr Major, uns ist hinterbracht worden, dass Sie Steuern eintreiben für das faschistische Regime im Dienst der deutschen Besatzer. Sehen Sie, Herr Kommandant, hatte Onkel Carlo gesagt, ich habe Familie und beziehe mein Gehalt von der Zentralregierung, die eben ist, wie sie ist, ich habe sie nicht gewählt, was würden Sie an meiner Stelle tun? Lieber Major, hatte Terzi geantwortet, ich an Ihrer Stelle würde genauso handeln wie Sie, aber lassen Sie's wenigstens etwas langsamer angehen, nehmen Sie sich Zeit. Ich werde sehen, hatte Onkel Carlo gesagt, ich habe nichts gegen euch, auch ihr seid Söhne Italiens und wackere Kämpfer…

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