Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Simon.«
    »Wie nett. Sagt er so was allen?«
    »Nein, Dummkopf, nur mir. Weil er mich besser versteht als du, weil er nicht versucht, mich nach seinem Idealbild zurechtzustutzen. Er begreift, dass ich das Leben auf meine Art leben muss. Und genauso hat's die Sophia gemacht, sie hat nicht lange gefragt, sondern hat einfach angefangen, die Welt zu machen. Sie hat sich mit der Urmaterie besudelt, die ekelhaft war, ich glaub, die benutzte noch keine Deodorants, und es war nicht mit Absicht, aber ich glaube, sie war's, die Sophia, die dann den Dingsda gemacht hat, den Demo… wie heißt er noch gleich?«
    »Meinst du den Demiurg?«
    »Ja genau, den. Ich weiß nicht mehr, ob dieser Demiurg, ob den jetzt die Sophia gemacht hat oder ob er schon da war und sie ihn bloß aufgestachelt hat: He, Blödmann, los, mach die Welt, dass wir uns amüsieren können! Der Demiurg muss ein Chaot gewesen sein, er hat nämlich nicht gewusst, wie er die Welt ordentlich machen sollte, und er hätte sie eigentlich gar nicht machen dürfen, denn die Materie ist schlecht, und er war nicht befugt, die Hände da reinzustecken. Na jedenfalls hat er dann zusammengepfuscht, was er eben zusammengepfuscht hat, und die Sophia ist drin steckengeblieben. Als Gefangene der Welt.«
    Lorenza redete schnell und trank viel. Alle paar Minuten, während in der Mitte des Saales schon viele mit geschlossenen Augen wippten und zuckten, kam Riccardo vorbei und goss ihr nach. Belbo versuchte ihn daran zu hindern, sagte, Lorenza hätte genug getrunken, aber Riccardo lachte und schüttelte bloß den Kopf, und sie rebellierte und behauptete, sie vertrüge den Alkohol besser als Jacopo, weil sie jünger sei.
    »Okay, okay«, sagte Belbo. »Hör nicht auf Opa. Hör lieber auf Simon. Was hat er dir noch gesagt?«
    »Na eben, dass ich die Gefangene dieser Welt bin, oder genauer, der bösen Engel… In dieser Geschichte sind nämlich die Engel böse und haben dem Demiurg geholfen, all das Chaos anzurichten… Und diese bösen Engel also, die halten mich fest und wollen mich nicht loslassen und quälen mich. Aber ab und zu gibt's einen Menschen, der mich erkennt. Wie Simon. Er sagt, das wär ihm schon mal passiert, vor tausend Jahren… Weil, das hab ich dir noch nicht gesagt, Simon ist praktisch unsterblich, wenn du wüsstest, was der alles schon erlebt hat…
    »Sicher, sicher. Aber jetzt hör auf zu trinken.«
    »Ssst… Simon hat mich einmal getroffen, da war ich 'ne Prostituierte in einem Bordell von Tyrus, und er nannte mich Helena…«
    »Das sagt dieser Herr zu dir? Und du bist ganz glücklich darüber? Gestatten, dass ich Ihnen die Hand küsse, Sie Flittchen meines Scheißuniversums… Feiner Gentleman!«
    »Das Flittchen war höchstens diese Helena. Und außerdem, wenn man damals Prostituierte sagte, meinte man eine freie Frau, eine Frau ohne Fesseln, eine Intellektuelle, eine, die nicht Hausfrau sein wollte, du weißt doch selber, dass eine Prostituierte damals eine Kurtisane war, eine, die einen Salon führte, heute würde sie Public Relations machen, nennst du eine PR-Dame eine Hure, als wär sie 'ne billige Nutte, die's den Lastwagenfahrern besorgt?«
    In diesem Moment kam Riccardo von neuem vorbei, fasste Lorenza am Arm und sagte: »Komm tanzen.«
    Sie gingen in die Saalmitte, stellten sich voreinander auf und deuteten schleppende, etwas verträumte Bewegungen an, als schlügen sie auf eine Trommel. Aber hin und wieder zog er sie an sich und legte ihr eine Hand auf den Nacken, besitzergreifend, und sie folgte ihm mit geschlossenen Augen, das Gesicht glühend, den Kopf zurückgeworfen, so dass ihre Haare frei und senkrecht hinunterfielen. Belbo steckte sich eine Zigarette nach der andern an.
    Nach einer Weile fasste Lorenza Riccardo an den Hüften und schob ihn langsam in unsere Richtung, bis sie nur noch einen Meter von Belbo entfernt waren. Ohne ihren Tanz zu unterbrechen, nahm Lorenza ihm den Pappbecher aus der Hand. Hielt Riccardo mit der Linken, den Becher in der Rechten, sah mit feuchtglänzenden Augen zu Belbo und schien zu weinen, aber sie lächelte… Und sprach zu ihm.
    »Und es war nicht das einzige Mal, weißt du?«
    »Das einzige Mal was?« fragte Belbo.
    »Dass er Sophia getroffen hat. Viele Jahrhunderte später war Simon auch Guillaume Postel.«
    »Hat er Briefe ausgetragen?«
    »Idiot. Das war ein Gelehrter in der Renaissance, der fließend jüdisch las…«
    »Hebräisch.«
    »Von mir aus. Er las es, wie die Jungs heute Mickymaus lesen. Kapierte

Weitere Kostenlose Bücher