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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Vereinigung
    nur vermittels Geheimgesellschaften agieren…
    Diese Geheimgesellschaften, die je nach Bedarf
    geschaffen wurden, zerfallen in verschiedene und
    scheinbar entgegengesetzte Gruppen, die von Mal
    zu Mal die unterschiedlichsten Meinungen vertreten,
    um getrennt und mit Vertrauen zueinander
    sämtliche religiösen, politischen, ökonomischen
    und literarischen Parteien zu lenken, und sie
    verbinden sich, um eine gemeinsame Richtung daraus
    zu empfangen, mit einem unbekannten Zentrum,
    in dem die mächtige Triebfeder verborgen ist, welche
    auf diese Weise unsichtbar alle Szepter der
    Erde zu bewegen trachtet.
     
    J. M. Hoene-Wronski, zit. in P. Sédir, Histoire et
    doctrine des Rose-Croix , Rouen 1932
     
    Eines Tages sah ich Signor Salon in der Tür seines Laboratoriums stehen. Er stand im Halbdunkel, und ich erwartete schon, dass er gleich den Ruf eines Käuzchens ausstoßen würde. Er begrüßte mich wie einen alten Freund und fragte, wie es mir »dort unten« ergangen sei. Ich machte eine vage Geste und ging lächelnd vorbei.
    Unwillkürlich fiel mir dabei Agarttha ein. Wie Agliè uns die Ideen von Saint-Yves geschildert hatte, mussten sie einem Diaboliker faszinierend vorkommen, aber nicht beunruhigend. Dennoch hatte ich neulich in München eine gewisse Unruhe in Salons Worten und Blicken gespürt.
    So beschloss ich, als ich aus dem Haus trat, einen Sprung in die Bibliothek zu machen und nach der Mission de l'Inde en Europe zu suchen.
    Im Katalogsaal und am Bestellschalter war das übliche Gedränge. Mit Ellbogenstößen gelang es mir endlich, den gesuchten Karteikasten in die Hand zu bekommen, ich fand den Titel, füllte den Leihschein aus und gab ihn dem Angestellten am Schalter. Er teilte mir mit, der Band sei ausgeliehen, und wie es in Bibliotheken vorkommt, schien er sich darüber zu freuen. Doch im selben Moment ertönte hinter mir eine Stimme: »Sehen Sie nach, er muss da sein, ich habe ihn gerade zurückgegeben.« Ich drehte mich um. Es war der Kommissar De Angelis.
    Ich erkannte ihn, und er erkannte mich – zu schnell, wie mir schien. Ich hatte ihn unter für mich außergewöhnlichen Umständen kennengelernt, er mich bei einer Routineuntersuchung. Außerdem trug ich damals ein Bärtchen und die Haare länger. Was für ein Auge!
    Hatte er mich womöglich seit meiner Rückkehr überwacht? Oder war er bloß ein guter Physiognomiker? Polizisten müssen den Spürsinn kultivieren, sich Gesichter und Namen gut merken können…
    »Sieh da, der Signor Casaubon! Und wir lesen dieselben Bücher!«
    Ich reichte ihm die Hand. »Jetzt bin ich Doktor, schon seit einer Weile. Vielleicht bewerbe ich mich bei der Polizei, um nichts zu versäumen, wie Sie's mir damals geraten haben. Dann krieg ich die Bücher zuerst.«
    »Man braucht bloß als erster zu kommen«, sagte er. »Aber jetzt ist das Buch wieder da, Sie können sich's später holen. Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?«
    Die Einladung verwirrte mich, aber ich konnte sie nicht ablehnen. Wir setzten uns in ein nahes Café. Er fragte, wieso ich mich für die Mission Indiens interessierte, und ich war versucht, sofort zurückzufragen, wieso er sich dafür interessierte, aber ich beschloss, mir erst einmal Rückendeckung zu verschaffen. Sagte also, ich ginge in der Freizeit weiter meinen Studien über die Templer nach: laut Wolfram von Eschenbach hätten die Templer damals Europa verlassen und wären nach Indien gegangen, und nach Ansicht mancher ins Reich von Agarttha. Nun war es an ihm, aus der Deckung zu kommen. »Die Frage ist eher«, sagte ich, »wieso Sie sich dafür interessieren.«
    »Och, wissen Sie«, antwortete er, »seit Sie mir damals dieses Buch über die Templer empfohlen haben, versuche ich, mich über das Thema ein bisschen zu informieren, und Sie wissen ja besser als ich, dass man von den Templern ganz automatisch auf Agarttha kommt.« Touché, Volltreffer! Dann fügte er hinzu: »Nein, ich mache nur Spaß. Ich habe das Buch aus anderen Gründen gesucht. Nämlich weil…«, er zögerte, »weil ich in meiner Freizeit gerne in Bibliotheken gehe. Um keine Maschine zu werden, oder um kein Bulle zu bleiben, suchen Sie sich selber die nettere Formel aus. Aber erzählen Sie mir von sich.«
    Ich gab ihm einen autobiographischen Kurzbericht, bis zum wunderbaren Abenteuer der Metalle.
    »Aber in dem Verlag da«, fragte er, »und in dem andern daneben, machen Sie da nicht Bücher über mysteriöse Wissenschaften?«
    Woher wusste er von Manuzio?

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