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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ich leider passen. So gut wie nichts. Ich hab davon reden hören, im Zusammenhang mit Saint-Yves. Das ist alles.«
    »Und was redet man so darüber?«
    »Wenn man was darüber redet, dann ohne mein Wissen. Offen gesagt, mir stinkt die Sache nach Faschismus.«
    »In der Tat, viele dieser Thesen wurden seinerzeit von der Action Française aufgegriffen. Und wenn's dabei geblieben wäre, sähe ich ja noch klar: Wenn ich eine Gruppe finde, die von Synarchie redet, kann ich sie einordnen. Aber ich bin dabei, mich über das Thema zu. informieren, und erfahre, dass um 1929 eine gewisse Vivian Postel du Mas und eine Jeanne Canudo die Gruppe Polaris gegründet haben, die sich am Mythos eines Königs der Welt inspirierte, und dann propagierten sie ein synarchisches Projekt: sozialer Dienst gegen kapitalistischen Profit, Beseitigung des Klassenkampfs durch genossenschaftliche Bewegungen… Scheint eine Art Sozialismus fabianischer Prägung gewesen zu sein, eine personalistische und kommunitäre Bewegung. Tatsächlich wurden sowohl Polaris wie auch die irischen Fabianer beschuldigt, Emissäre eines synarchischen Komplotts unter jüdischer Leitung zu sein. Und wer hat sie dessen beschuldigt? Eine Revue internationale des sociétés secrètes , die von einer jüdisch-freimaurerisch-bolschewistischen Verschwörung faselte. Viele ihrer Mitarbeiter gehörten zu einer noch geheimeren rechten Integralistenvereinigung, der Sapinière. Und sie behaupteten, alle revolutionären politischen Organisationen seien nur die Fassade eines teuflischen Komplotts, das von einem okkultistischen Geheimbund gesteuert werde. Nun werden Sie sagen, okay, wir haben uns geirrt, Saint-Yves hat am Ende linksreformistische Gruppen inspiriert, die Rechte macht aus jeder Mücke einen Elefanten und sieht überall Ableger einer Demo-Pluto-Sozial-Judäokratie. Auch Mussolini hat es so gemacht. Aber wieso wird dann diesen Gruppen vorgeworfen, sie würden von okkultistischen Zirkeln beherrscht? Nach dem bisschen, was ich davon weiß – gehen Sie nur mal hin und schauen Sie sich Picatrix an –, sind das Leute, die mit der Arbeiterbewegung wenig im Sinn haben.«
    »So dünkt es auch mich, o Sokrates. Und weiter?«
    »Danke für den Sokrates, aber je mehr ich über das Thema lese, desto weniger sehe ich klar. Anfang der vierziger Jahre entstehen verschiedene Gruppen, die sich synarchisch nennen, und sie reden von einer neuen europäischen Ordnung unter der Führung einer Regierung von überparteilichen Weisen. Und wo konvergieren dann all diese Gruppen? Im Umkreis der Kollaborateure von Vichy. Jetzt werden Sie sagen, wir hätten uns erneut geirrt, die Synarchie stehe eben rechts. Vorsicht! Nachdem ich so viel gelesen habe, wird mir klar, dass alle sich nur in einem Punkt einig sind: Die Synarchie existiert und regiert insgeheim die Welt. Aber nun kommt das Aber…«
    »Aber?«
    »Am 24. Januar 1937 wurde Dimitri Navachine, ein Freimaurer und Martinist (ich weiß nicht genau, was Martinisten sind, aber mir scheint, eine von diesen Sekten), damals Berater der Volksfrontregierung in Wirtschaftsfragen, nachdem er zuvor Direktor einer Moskauer Bank gewesen war, ermordet von einer Organisation secrète d'action révolutionnaire et nationale, besser bekannt als La Cagoule, finanziert von Mussolini. Damals hieß es, die Cagoule werde von einer geheimen Synarchie geleitet und Navachine sei ermordet worden, weil er ihre Geheimnisse aufgedeckt habe. Später, während der deutschen Besatzung, behauptet ein aus Kreisen der Linken hervorgegangenes Dokument, verantwortlich für die französische Niederlage sei ein synarchischer Pakt des Reiches, und dieser Pakt sei die Manifestation eines lateinischen Faschismus vom portugiesischen Typ. Aber dann kommt heraus, dass der Pakt von den Polaris-Gründerinnen Postel du Mas und Canudo verfasst worden war und Ideen enthielt, die sie längst publiziert und überall verbreitet hatten. Keine Spur von Geheimnis. Aber als geheim, ja top secret werden diese Ideen dann 1946 von einem gewissen Husson enthüllt, der einen linksrevolutionären synarchischen Pakt anprangert, und das in einem Text namens Synarchie, panorama de 25 années d'activité occulte , gezeichnet mit – warten Sie, ja, hier: Geoffroy de Charnay.«
    »Das ist jetzt schön«, sagte ich, »Geoffroy de Charnay war der Gefährte von Jacques de Molay, dem Großmeister der Templer. Sie starben zusammen auf dem Scheiterhaufen. Hier hätten wir also einen Neotempler, der die Synarchie

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