Die historischen Romane
und begrüßte mich auf italienisch. Mit einem Mal konnte ich ihn mir in seiner Berufskleidung vorstellen – er brauchte nur einen langen gelblichen Kittel zu tragen und wäre der Signor Salon gewesen. A. Salon, Taxidermist, derselbe, der sein Labor direkt neben meinem Büro hatte, am selben Flur in der aufgelassenen Fabrik, wo ich den Marlowe des Wissens spielte. Ich war ihm ein paarmal auf der Treppe begegnet, und wir hatten uns kurz gegrüßt.
»Kurios«, sagte er, während er mir die Hand reichte, »da sind wir nun so lange schon Nachbarn und stellen uns hier in den Eingeweiden der Erde vor, tausend Meilen entfernt.«
Wir wechselten ein paar höfliche Sätze. Ich hatte den Eindruck, dass er recht genau wusste, was ich tat, und das war nicht wenig, bedenkt man, dass ich es nicht einmal selbst genau wusste. »Was tun Sie denn hier in einem Museum der Technik? In Ihrem Verlag beschäftigt man sich doch eher mit geistigen Dingen, scheint mir.«
»Woher wissen Sie das?«
»Och…« Er machte eine vage Geste. »Die Leute reden, ich bekomme viel Besuch ... «
»Was für Leute kommen denn so zu einem Tierausstopfer? Pardon: zu einem Taxidermisten?«
»Alle möglichen. Sie werden sagen, wie's alle tun, das sei kein alltäglicher Beruf. Aber es mangelt mir nicht an Kunden, und sie kommen von überall her. Museumsleute, private Sammler.«
»Es passiert mir nicht oft, dass ich ausgestopfte Tiere in privaten Häusern sehe«, sagte ich.
»Nein? Das hängt davon ab, welche Häuser Sie frequentieren… Oder welche Keller.«
»Hält man sich ausgestopfte Tiere im Keller?«
»Manche tun es. Nicht alle Krippen stehen im Licht der Sonne – oder des Mondes. Ich misstraue zwar solchen Kunden, aber Sie wissen ja, die Arbeit ... Ich misstraue den Untergründen.«
»Und deshalb spazieren Sie hier durch die Untergründe?«
»Ich kontrolliere. Ich misstraue den Untergründen, aber ich will sie begreifen. Es gibt ja nicht allzu viele Möglichkeiten. Die Katakomben von Rom, werden Sie sagen. Da gibt's kein Geheimnis mehr, die sind voller Touristen und kontrolliert von der Kirche. Es gibt die Kloaken von Paris… Sind Sie mal dagewesen? Man kann sie montags, mittwochs und an jedem letzten Samstag im Monat besichtigen, der Eingang ist beim Pont de l'Alma. Auch das ein Touristenziel. Natürlich gibt's in Paris auch die Katakomben, und die unterirdischen Höhlen. Zu schweigen von der Metro. Waren Sie je an Nummer 145 der Rue La Fayette?«
»Ich muss gestehen, nein.«
»Ein bisschen abseits, zwischen der Gare de l'Est und der Gare du Nord. Auf den ersten Blick ein unscheinbares Gebäude. Nur wenn man genauer hinsieht, entdeckt man, dass die Türen zwar aussehen wie aus Holz, aber in Wahrheit aus bemaltem Eisen sind, und die Zimmer hinter den Fenstern sind seit Jahrhunderten unbewohnt. Nie brennt da ein Licht. Aber die Leute gehen vorbei und wissen nicht.«
»Wissen nicht was?«
»Dass das Haus nur vorgetäuscht ist. Es ist nur Fassade, eine Hülle ohne Dach, ohne Inneres. Leer. Es kaschiert die Mündung eines Kamins. Dient zur Be- und Entlüftung der Metro. Und wenn Sie das begreifen, haben Sie das Gefühl, vor dem Eingang der Unterwelt zu stehen, als würden Sie, wenn Sie nur in diese Mauern eindringen könnten, ins unterirdische Paris gelangen. Ich habe manchmal Stunden um Stunden vor diesen Scheintüren verbracht, die das Tor der Tore maskieren, den Abfahrtsbahnhof zur Reise ins Zentrum der Erde. Warum, meinen Sie, hat man das gemacht?«
»Um die Metro zu belüften, sagten Sie doch.«
»Dafür hätten ein paar Luken genügt. Nein, es sind diese Untergründe, vor denen ich Verdacht zu schöpfen begann. Verstehen Sie mich?«
Das Reden über die Dunkelheit schien ihn aufzuheitern. Ich fragte ihn, weshalb er die Untergründe so verdächtig fand.
»Nun, weil die Herren der Welt, wenn es sie gibt, nur unter der Erde sein können. Das ist eine Wahrheit, die alle ahnen, aber nur wenige auszusprechen wagen. Der einzige, der den Mut besaß, es in klaren Worten zu sagen, war vielleicht Saint-Yves d'Alveydre. Kennen Sie ihn?«
Vielleicht hatte ich den Namen schon irgendwann von einem der Diaboliker gehört, aber ich erinnerte mich nicht genau.
»Er ist es, der von Agarttha gesprochen hat, von der unterirdischen Residenz des Königs der Welt, dem verborgenen Zentrum der Synarchie«, sagte Salon. »Er hatte keine Angst, er fühlte sich seiner selbst sicher. Doch alle, die ihm öffentlich gefolgt sind, wurden eliminiert, weil sie zu
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