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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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von rechts attackiert. Aber die Synarchie ist doch in Agarttha entstanden, dem Refugium der Templer!«
    »Was habe ich gesagt? Sehen Sie, Sie geben mir eine weitere Spur. Dummerweise macht sie die Konfusion nur noch größer: Demnach wird von rechts ein synarchischer Pakt des Reiches angeprangert, ein sozialistischer und geheimer, der alles andere als geheim ist, und derselbe geheime synarchische Pakt wird auch von links angeprangert. Und nun kommen wir zu einer neuen Interpretation: Die Synarchie ist eine Verschwörung der Jesuiten zum Umsturz der Dritten Republik. So die These von Roger Mennevée, einem Linken. Um mich zu beruhigen, sagt mir meine Lektüre auch, dass 1943 in einigen Militärkreisen von Vichy, pétainistischen zwar, aber antideutschen, Dokumente zirkulierten, die bewiesen, dass die Synarchie ein Komplott der Nazis war: Hitler war ein Rosenkreuzer, beeinflusst von den Freimaurern, die mithin von der jüdisch-bolschewistischen zur deutsch-imperialen Verschwörung übergegangen sind.«
    »Womit wir alles beisammen hätten.«
    »Wenn's nur das wäre. Hier noch eine weitere Enthüllung: Die Synarchie ist ein Komplott der internationalen Technokraten. Das behauptet 1960 ein gewisser Villemarest in Le 14ème complot du 13 mai . Das techno-synarchische Komplott will die Regierungen destabilisieren, und deshalb provoziert es Kriege, unterstützt und schürt Staatsstreiche, begünstigt interne Spannungen, um die Parteien zu spalten… Erkennen Sie die Melodie?«
    »Mein Gott, das ist der SIM, der Imperialistische Staat der Multinationalen Konzerne, von dem die Roten Brigaden vor ein paar Jahren sprachen!«
    »Genau! Und was macht nun der Kommissar De Angelis, wenn er irgendwo einen Hinweis auf die Synarchie findet? Er fragt Doktor Casaubon, den Experten für Templer.«
    »Und der sagt, es gibt einen Geheimbund mit Verzweigungen in aller Welt, der Komplotte schmiedet, um das Gerücht zu verbreiten, es gebe ein Universales Komplott.«
    »Sie scherzen, aber ich…«
    »Ich scherze nicht. Kommen Sie mal vorbei und lesen die Manuskripte, die bei Manuzio eintreffen. Aber wenn Sie eine schlichtere Interpretation haben wollen: Das Ganze ist wie der Witz von dem Stotterer, der sagte, sie hätten ihn nicht als Radiosprecher genommen, weil er nicht in der Partei war. Man muss die eigenen Fehler immer anderen zuschreiben, Diktaturen brauchen immer einen äußeren Feind, um ihre Anhänger um sich zu scharen. Wie sagte doch gleich, ich weiß nicht mehr, wer es war: Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist die falsche.«
    »Und wenn ich eine Bombe in einem Zug finde, eingewickelt in ein Flugblatt, das von Synarchie spricht, begnüge ich mich dann damit zu sagen, das sei eine einfache Lösung für ein komplexes Problem?«
    »Wieso? Haben Sie Bomben in Zügen gefunden, die… Nein, entschuldigen Sie. Das wäre wirklich nicht meine Sache. Aber warum sprechen Sie dann mit mir darüber?«
    »Weil ich hoffte, Sie wüssten darüber mehr als ich. Weil es mich womöglich erleichtert zu sehen, dass auch Sie damit nicht klarkommen. Sie sagen, Sie müssten zu viele Texte von Verrückten lesen, und halten das für Zeitverschwendung. Ich nicht, für mich sind die Texte Ihrer Verrückten – Ihrer, also der für die normalen Leute Verrückten – wichtige Texte. Vielleicht erklärt mir der Text eines Verrückten, wie jemand denkt, der Bomben in Züge legt. Oder fürchten Sie, ein Polizeispitzel zu werden?«
    »Nein, Ehrenwort. Im Grunde ist es mein Beruf, Ideen in Karteikästen zu suchen. Wenn ich auf den richtigen Hinweis stoße, werde ich an Sie denken.«
    Während er aufstand, ließ er die letzte Frage fallen: »Und haben Sie unter Ihren Manuskripten nie einen Hinweis auf… etwas namens Tres gefunden?«
    »Was ist das?«
    »Ich weiß nicht. Muss eine Vereinigung sein oder etwas in der Art, ich weiß nicht mal, ob es wirklich existiert. Ich habe nur davon reden hören, und jetzt ist es mir im Zusammenhang mit den Verrückten eingefallen. Grüßen Sie Ihren Freund Belbo von mir. Sagen Sie ihm, dass ich nicht auf seiner Spur bin. Und dass ich einen scheußlichen Beruf ausübe, der mir scheußlicherweise auch noch gefällt.«
     
    Auf dem Heimweg fragte ich mich, wer von uns beiden das Spiel gewonnen hatte. Er hatte mir eine Menge erzählt, ich nichts. Wenn ich argwöhnisch sein wollte: vielleicht hatte er mir etwas aus der Nase gezogen, ohne dass ich es gemerkt hatte. Aber wer argwöhnisch sein will, gerät

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