Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Ordnung.
Auflösung der Familie
Die Jahrhundertwende bringt für das Leben der Hitlers einschneidende Änderungen. Klaras Sohn Edmund stirbt im Februar. Ältester und einziger Sohn ist nun Adolf, auf seinen Schultern ruht ab jetzt die volle Last der elterlichen Erwartungen vom vorzeigbaren Stammhalter. Ob der Vater für ihn eine Beamtenlaufbahn vorgesehen hat, wie Hitler später immer wieder zum Besten gibt, ist zweifelhaft: »Ich sollte studieren … Grundsätzlich war er aber der Willensmeinung, daß, so wie er, natürlich auch sein Sohn Staatsbeamter werden würde, ja müßte … Der Gedanke einer Ablehnung dessen, was ihm einst zum Inhalt seines ganzen Lebens wurde, erschien ihm doch als unfaßbar. So war der Entschluß des Vaters einfach, bestimmt und klar, in seinen eigenen Augen selbstverständlich. Endlich wäre es seiner in dem bitteren Existenzkampfe eines ganzen Lebens herrisch gewordenen Natur aber auch ganz unerträglich vorgekommen, in solchen Dingen etwa die letzte Entscheidung dem in seinen Augen unerfahrenen und damit eben noch nicht verantwortlichen Jungen selber zu überlassen. Es würde dies auch als schlechte und verwerfliche Schwäche in der Ausübung der ihm zukommenden väterlichen Autorität und Verantwortung für das spätere Leben seines Kindes unmöglich zu seiner sonstigen Auffassung von Pflichterfüllung gepaßt haben.« 21
Auf jeden Fall schickt Alois den widerstrebenden Sohn auf eine höhere Schule, die Staats-Realschule in Linz. Das bedeutet täglich einen Fußweg von jeweils einer Stunde hin und einer Stunde zurück und wenig Zeit für die dörflichen Spielkameraden. Auch ist Adolf in der neuen Klasse nicht mehr der tonangebende Mittelpunkt, wie er es aus Leonding gewohnt war. Schon bald müssen Klara und Alois sich Sorgen machen um ihren Jungen. Die schulischen Leistungen lassen nach; der Bub, dem bisher alles ohne Anstrengung zugefallen ist, hat es nicht so mit strebsamem Lernen. Am Ende des ersten Schuljahres passiert es auch schon: Adolf bleibt sitzen und muss die erste Klasse der Realschule wiederholen. Nach der damals üblichen Notenskala von eins »vorzüglich« bis fünf »nicht genügend« erhält der Schüler im sittlichen Betragen eine drei, in Fleiß eine vier, in Mathematik und Naturgeschichte jedoch eine fünf. Die Wiederholungsklasse schafft Adolf dann mit mittelmäßigen Noten.
Was sich zu Hause an Dramen wegen seines Versagens abgespielt haben mag, kann man sich leicht vorstellen: Der ehrgeizige, korrekte Vater, der seinen Sohn – zu Recht – wegen seiner Faulheit kritisiert, die Mutter, die sich um die Zukunft ihres letzten verbliebenen Sohnes Sorgen macht. Immerhin bedeutet es auch für die Eltern einige Entbehrung, die Summen für das mittägliche Kostgeld aufzubringen und den Junior länger auf der Tasche liegen zu haben.
In Mein Kampf stellt Hitler das Verhältnis zwischen Vater und Sohn als sich verschärfenden Konflikt zweier Menschen mit starkem Willen dar: »Zum ersten Male in meinem Leben wurde ich, als damals noch kaum Elfjähriger, in Opposition gedrängt. So hart und entschlossen auch der Vater sein mochte in der Durchsetzung einmal ins Auge gefaßter Pläne und Absichten, so verbohrt und widerspenstig war aber auch sein Junge in der Ablehnung eines ihm nicht oder nur wenig zusagenden Gedankens.« 22
Sicher ist, dass das dominierende Familienoberhaupt überhaupt keinen Zweifel daran lässt, wer das Sagen hat. Widerspruch ist nicht erwünscht – weder von seiner Frau, noch von seinen Kindern. Wie selbstverständlich fordert er den unbedingten Gehorsam ein, den er selbst in seinem Dienst als Beamter gegenüber dem Staat gelernt hat. Alois’ vorherrschendes Erziehungsmittel sind Prügel. Das hat schon sein Ältester Alois junior zu spüren bekommen und nach dessen Weggang nun Adolf. Den trifft der Jähzorn des Vaters jetzt regelmäßig, die ängstliche, besorgte Mutter wagt nicht dazwischenzugehen. »Mein Bruder Adolf forderte meinen Vater zu extremer Strenge heraus und erhielt dafür jeden Tag eine richtige Tracht Prügel«, berichtet seine Schwester Paula. »Wie oft hat andererseits meine Mutter ihn gestreichelt und versucht, mit Liebenswürdigkeit das zu erreichen, was meinem Vater mit Strenge nicht gelang.« 23 Klara wartet, krank vor Sorge, oft vor der Tür, wenn ihr Sohn drinnen verprügelt wird, wagt aber nicht einzugreifen. Adolf Hitler prahlt später gegenüber seiner Sekretärin Christa Schroeder: »Als ich eines Tages im Karl May
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