Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Noten von der Realschule mit nach Hause und bereitete Klara ständig Sorgen. In der dritten Klasse überreichte er seiner Mutter ein Abschlusszeugnis, in dem es wieder von deprimierenden Zensuren wimmelte. Der Fleiß war »ungleichmäßig«, in Französisch stand ein »nicht genügend«. Die Nachprüfung und Versetzung war nur unter der Bedingung möglich, dass Klara ihren Sohn aus der Linzer Realschule nahm. Die Mutter ging darauf ein, ihr Wunsch, dem Sohn eine bessere Ausbildung zukommen zu lassen, war ungebrochen. Dabei hätte es ihr bei mehr Weitblick klar sein müssen, dass Adolfs schwache Leistungen für eine höhere Schule nicht reichten. Doch Klara nahm einen neuen Anlauf und schickte den unwilligen Sohn auf die Realschule nach Steyr, wo er die vierte Klasse besuchte. Da an ein tägliches Nachhausekommen wegen der Entfernung nicht mehr zu denken war, bezahlte Klara ihrem Ältesten Unterkunft bei dem Steyrer Kaufmann Ignaz Kammerhofer und dem Gerichtsbeamten Conrad Edler von Cicini. Klaras Engagement für die schulische Zukunft ihres Sohnes blieb jedoch vergebens. Als er seiner Mutter das Zeugnis der vierten Klasse vorlegte, war die Katastrophe besiegelt: Adolf hatte das Klassenziel wieder nicht erreicht, all die Liebesmüh war umsonst gewesen. Die letzten Zensuren des Adolf Hitler:
Sittliches Betragen
befriedigend (3)
Fleiß
ungleichmäßig (4)
Religionslehre
genügend (4)
Deutsche Sprache
nicht genügend (5)
Geographie, Geschichte
genügend (4)
Mathematik
nicht genügend (5)
Chemie
Chemie genügend (4)
Physik
befriedigend (3)
Freihandzeichnen
lobenswert (2)
Turnen
vorzüglich (1)
Stenographie
nicht genügend (5)
In zwei Fächern reichte es also nicht zum Vorrücken. Die Note fünf in Steno zählte dabei nicht, das war nur Wahlfach. Die Hoffnungen, die Klara in ihren Sohn gesetzt hatte, waren endgültig zerstoben. Sollte sie Adolf nochmals die Klasse wiederholen lassen? Ihre Lebensumstände hatten sich erneut gewandelt: Stieftochter Angela hatte im Jahr 1903 den Beamten Leo Raubal geheiratet, das Haus in Leonding verlassen und war nach Linz gezogen. Die Immobilie in Leonding schien nunmehr zu groß, auch konnte Klara zusätzliches Einkommen gebrauchen. Sie verkaufte das Anwesen deshalb im Juni 1905 und zog in eine Mietwohnung in Linz in der Humboldtstraße 31. Die Wohnung im dritten Stock hatte eine Küche, ein Wohnzimmer und ein Kabinett. Damit blieben Klara unterm Strich über 6000 Kronen, die als Geldanlage weitere Zinsen abwarfen und die Haushaltskasse neben der Witwenpension zusätzlich füllten. Überdies steuerte Schwester Johanna aus ihrem Vermögen eine Art Wohngeld von knapp 50 Gulden monatlich bei, ein hoher Betrag, der ein Mehrfaches der ortsüblichen Mieten war und als Unterstützung der Verwandten zu sehen ist.
Die Entscheidung über die weitere Schulkarriere Adolfs beeinflusste dieser mit geschickter Schauspielerei. Eine Erkältung mit Husten bauschte Adolf theatralisch zu einer Lungenkrankheit auf, was Klara einen gehörigen Schrecken einjagen musste, waren doch bereits vier ihrer Kinder vorzeitig an Krankheit gestorben. Hitler verklärte in Mein Kampf seinen Boykott: »Da kam mir plötzlich meine Krankheit zu Hilfe und entschied in wenigen Wochen über meine Zukunft und die dauernde Streitfrage des väterlichen Hauses: Mein schweres Lungenleiden ließ einen Arzt der Mutter auf das dringlichste anraten, mich später unter keinen Umständen in ein Bureau zu geben. Der Besuch der Realschule mußte ebenfalls auf mindestens ein Jahr eingestellt werden. Was ich so im stillen ersehnt, für was ich immer gestritten hatte, war nun durch dieses Ereignis fast von selber Wirklichkeit geworden.« 26 Bloß kann sich keiner der Zeitzeugen an eine solche Krankheit erinnern, was die Einlage als Geflunker entlarvt.
Klara glaubt den Symptomen, fährt mit ihrem Sohn mit der Bahn zur Erholung zu den Schmidts, ihren Verwandten im Waldviertel, Nachkommen aus dem Zweig Nepomuks. Am Bahnhof Gmünd holt der Onkel Mutter und Sohn mit einem Ochsengespann ab und bringt sie nach Spital. Dort auf dem Lande, der Heimat seiner Vorfahren, durchlebt Adolf angenehme Ferienwochen: ein Arzt kümmert sich um ihn, er isst reichlich, trinkt viel Milch, zeichnet und tollt durch die Gegend. Die Feldarbeit der Schmidts dagegen lässt ihn unberührt, er nimmt daran lediglich als Zuschauer teil – ein Affront gegen die Gastfreundschaft seines Onkels und seiner Tante, die gerade in ihrer Landwirtschaft jede helfende Hand gebrauchen
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