Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
000 Mark. Ihre Gegenleistung: die »Übertragung der Rechte Ihrer Aufzeichnungen der Erlebnisse mit dem Führer«. 122 So ein Manuskript hat sie aber gar nicht geschrieben, jedenfalls gibt es keinerlei Hinweise darauf. Das letzte Mal trifft Angela ihren Bruder Adolf 1942 in Berlin. Danach bleibt es bei Telefonaten und Briefen.
Gatte Martin Hammitzsch macht Karriere als Minsterialrat in der nationalsozialistischen Landesregierung. Angela selbst widmet sich der Literatur, präziser gesagt, dem Nachlass des Schriftstellers und Winnetou-Erfinders Karl May. An diese Aufgabe kommt die Hitler-Schwester durch Klara May, der zweiten Ehefrau und früheren Sekretärin des 1912 verstorbenen Autors. Die May-Erbin wohnt in Radebeul bei Dresden, wo auch Karl May sein Domizil hatte, in der Villa »Shatterhand«. Angela freundet sich mit der betagten Frau an und schlägt im Jahr 1944 der Stadt Dresden vor, die May-Witwe anlässlich ihres 80. Geburtstages zur Ehrenbürgerin von Radebeul zu ernennen.
Das stößt bei den lokalen NSDAP-Funktionären auf Widerstand. Denn der Schriftsteller, den schon Adolf Hitler nach eigener Aussage gern gelesen hat, ist nach der Nazi-Philosophie umstritten. Mehrere Parteiobere fordern eine Verbannung der Schriften aus den Buchläden, Joseph Goebbels mokiert sich über die zersetzenden Gedanken des Volksschriftstellers. Denn Karl May hatte zwar durchaus parteikonforme Ansichten über Juden, aber er hatte auch Pazifismus gepredigt. In einem Vortrag im März 1912 hatte er beispielsweise gesagt: »Wir sind durch die Hölle des Klassenhasses gegangen, des Rassenhasses und des Religionshasses! Überall Haß, Haß und Haß! Der Große gegen den Kleinen. Der Kleine gegen den Großen. Der Christ gegen den Mohammedaner, der Mohammedaner gegen den Christen. Der Weiße gegen den Gelben, den Schwarzen, den Roten. Ein Gebirge von Leid. Ein Ozean voll Tränen. Und dann wundern wir uns, dass immer wieder Krieg ist in der Welt?… Weshalb wird Old Shatterhand von allen geliebt und geachtet? Weil er nur in allerletzter Notwehr Messer und Kugel gebraucht … Wir wollen nicht mehr ablassen im Kampfe gegen den Krieg. Wir wollen jeden Tag an unsere Aufgabe denken: Kampf dem Massenmord!« 123
Den braunen Machthabern war auch ein Dorn im Auge, dass Karl May – im Gegensatz zur offiziellen Lehre – »minderwertige« Rassen wie Rothäute oder Asiaten in seinen Romanen als »Edelmenschen« darstellte und sogar Mischehen beschrieb. Aber ein offizielles Verbot der Schriften blieb aus – der Schriftsteller war in Deutschland zu populär. Dafür versuchten die Parteibonzen, die Seniorin Klara May unter Druck zu setzen. Hebel dazu war das Grabmal Karl Mays in Radebeul. Die Nazi-Behörden warfen der Witwe vor, einen »Halbjuden« in dem Mausoleum beerdigt zu haben – gemeint war ihr erster Mann Richard Plöhn. Klara May beugte sich der Obrigkeit, ließ den Leichnam exhumieren und einäschern. Das Zerwürfnis mit den Nazis blieb. Selbst Angelas Fürsprache konnte die Ächtung der Seniorin in den letzten Kriegsjahren nicht verhindern. Die von Angela angestrebte Ehrenbürgerschaft für die Schriftstellerwitwe scheiterte.
Den verheerenden Bombenangriff der Alliierten auf Dresden im Februar 1945 erleben Angela und ihr Mann vor Ort. Bei ihnen sind auch Tochter Elfriede und deren neugeborener Sohn Heiner. Sie bleiben unverletzt. Aber das Hitlersche Temperament bricht wieder bei Angela durch. Wie Goebbels berichtet, schreibt sie ihrem Bruder: »Der Führer erzählt mir, dass Frau Raubal ihm einen zorn- und empörungssprühenden Brief geschrieben hat. Sie hat sich in der Dresdner Katastrophe außerordentlich tapfer benommen.« 124
Kurz vor Kriegsende veranlasst Hitler, seine beiden Schwestern nach Berchtesgaden in Sicherheit bringen zu lassen. Dort angekommen, bringt ihnen Julius Schaub im Auftrag Hitlers Geld. Die einrückenden Amerikaner verhaften Angela. Im Verhör 125 gibt sie an, nichts von Konzentrationslagern gewusst zu haben. Ihr Bruder Adolf habe ebenfalls keine Ahnung von den Zuständen innerhalb der Lager gehabt und hätte andernfalls solche Zustände nie zugelassen. Auch den Krieg mit Frankreich habe Hitler nie gewollt, »im Osten wollte er nur seine Kolonien zurückhaben«. Himmler habe sie als »harmlose Person« kennen gelernt, Göring sei immer »freundlich und höflich« gewesen. Mit einem Wort, Angela zeigt sich nach dem Krieg als verstockte, uneinsichtige Nazi-Anhängerin.
Ihren Mann sieht Angela nie wieder.
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