Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Professor Martin Hammitzsch flieht vor den heranrückenden Russen in Richtung Sudetenland. Als die Lage aussichtslos wird, erschießt sich Hammitzsch am 12. Mai 1945 bei Oberwiesenthal. Angela kehrt nach ihrer Internierung nach Dresden zurück – eine vereinsamte, gebrochene Frau. Sie stirbt am 20. Oktober 1949 in Hannover im Alter von 66 Jahren an einem Hirnschlag.
4 Das schwarze Schaf der Familie
Die Gegend an der Drehbahn 36 am Gänsemarkt in Hamburg ist voller Wunden vom Krieg: zerbombte Häuserzeilen, aufgerissene Straßen, zerborstene Eisenträger. Dort hat sich unter der Aufsicht der britischen Besatzungstruppen die Kommandantur der Polizei Hamburg eingerichtet. Anfang Oktober 1945 erscheint in dem Gebäude ein hagerer, älterer Mann. Er trägt eine runde Nickelbrille, das lichte Haar ist streng gescheitelt. Den Dienst habenden Beamten erklärt er den Anlass seines Besuches: Er möchte seinen Namen ändern. Auf die Frage, wie er heißt, antwortet der Mann: Alois Hitler. »Für die Zukunft erscheint es mir unmöglich, meinen Familiennamen Hitler weiterzuführen, der Name erschwert mir, meinen Beruf weiter auszuüben und stellt eine Belastung im Umgang mit dritten Personen dar«, erklärt der 63-jährige Mann in steifem Deutsch sein Anliegen. 137 Damit beginnt in Alois Hitlers Lebensgeschichte ein neues Kapitel. Ein weiteres Kapitel einer Geschichte, die reich an Wendungen, an Irrungen und Wirrungen ist.
Für seinen kleinen Bruder, den großen Diktator, ist Alois das schwarze Schaf der Familie, dessen Namen Adolf von seiner Umgebung nicht zu hören wünscht. Was paradox ist – wenn es ein schwarzes Schaf in der Familie gab, dann war es Adolf Hitler, der Mann, dessen eigene Rolle in der Geschichte man mit einer solchen Bezeichnung nur grenzenlos verharmlosen würde. Groteskerweise aber ist Alois der Hitler, dessen Name in der Familie von Naserümpfen begleitet wird.
Alois ist schon der zweite in der Familie, der diesen Vornamen trägt. Sein Vater Alois senior hat seinen ältesten Sohn und künftigen Haupterben nach alter Tradition auf seinen eigenen Namen taufen lassen. Alois junior soll ihm später einmal Ehre machen. In einer Hinsicht eifert der Sohn dem Vater schon einmal nach: Er entledigt sich seines Geburtsnamens wie eines aus der Mode gekommenen Anzugs, als es ihm opportun erscheint.
Geboren wurde Alois am 13. Januar 1882 in Wien. Mutter war die damals 20-jährige Franziska »Fanni« Matzelsberger, eine Bauerntochter, geboren in Weng bei Ried im Innkreis. Erzeuger Alois senior ist 24 Jahre älter – und verheiratet mit Anna Glassl. Die außereheliche Affäre ist pikant, Fanni arbeitet als Bedienstete im Wohnhaus der Hitlers. Alois erhält als uneheliches Kind den Familiennamen Matzelsberger. Gattin Anna zieht die Konsequenzen und lässt sich scheiden. Fanni rückt an ihre Stelle und wird nach dem Tod der Ex am 22. Mai 1883 in Ranshofen bei Braunau des Stammvaters zweite Ehefrau. Der stolze Papa legitimiert den Buben nun noch im selben Jahr. Der Junior heißt nun, wie der Vater, Alois Hitler. Kurz nach der Hochzeit, am 28. Juli, gebärt Fanni ihr zweites Kind, Tochter Angela.
Klein-Alois ist noch zu jung, um das Leiden seiner Mutter bewusst zu erleben. Die junge Frau erkrankt an Tuberkulose, ihr Zustand verschlimmert sich schnell, und bereits am 10. August 1884 stirbt sie an der auszehrenden Krankheit. Sie hinterlässt einen zweijährigen Buben, ein einjähriges Mädchen und einen 47-jährigen Witwer, der weder Zeit noch Lust hat, sich um solche Vaterpflichten wie Kindererziehung oder Haushalt zu kümmern. Aber als vorausschauender Mann hat er bereits vorgebaut und seine frühere Haushaltshilfe und Verwandte Klara ins Haus geholt. Mit der wiederholt er das Spiel, das ihm, wie es scheint, gut gefallen hat: heimliche Liebesbeziehung – Schwangerschaft – Heirat.
Neuer Startversuch
Der Flüchtling übernachtet die erste Zeit in dem christlichen Hospiz in der Albrechtstraße, Ecke Bahnhof Friedrichstraße. Es ist eine einfache Unterkunft für die Gestrandeten und Armen Berlins. Alois lebt von seinen Ersparnissen und von Gelegenheitsjobs. Als Österreicher muss er sich wegen des Militärdienstes beim österreichischen Konsulat melden. Die Musterungsbehörden schreiben Alois dienstuntauglich – er ist stark kurzsichtig, hat ein Gallenleiden und überdies Krampfadern. Deshalb braucht er nicht an die Front. Sein schlechter gesundheitlicher Zustand verhindert viel später, im Jahr 1939, wiederum seine
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