Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
Rekrutierung. Ansonsten lebt Alois zurückgezogen, ein Eigenbrötler, er sagt: »Es ist mir schwer, Freundschaften einzugehen oder mich anderen anzuschließen.« 147 Den Versuch, die Schwestern Angela und Paula zu kontaktieren oder zu besuchen, gibt er mangels Adressen auf. Groß ist seine Lust sowieso nicht, die engsten Verwandten wiederzusehen. Den Bruder Adolf mag er gleich gar nicht suchen.
Bei seiner Gattin Bridget und Sohn Willie meldet sich Alois auch nach dem Ende des Krieges nicht mehr – wahrscheinlich aus Angst, für Unterhaltszahlungen herangezogen zu werden. Denn die gebürtige Irin, durch die Heirat zur österreichischen Staatsbürgerin geworden, tut sich schwer, mit ihrem Buben über die Runden zu kommen. Bridget macht sich Sorgen, ihr Mann könne im Krieg umgekommen sein. Sie schreibt an Alois’ letzte bekannte Adresse, den Brief erhält sie mit »Adressat unbekannt« zurück. Als sie im Jahr 1920 in Liverpool ein Lokal besucht, in dem sie mit ihrem Gatten oft war, spricht sie dort der deutsche Kellner an. Der zieht einen Brief eines Kollegen aus Deutschland aus der Tasche, berichtet Bridget. In dem Dokument stellt sich der Briefschreiber als Kriegskamerad von Alois vor und berichtet, Alois sei im Krieg gefallen: »Unglücklicherweise wird Frau Hitler nicht einmal die Möglichkeit haben, das Grab zu besuchen, denn das Krankenhaus, in dem er starb, liegt in der Ukraine. Die Bolschewisten haben dort die Macht.« 148 Bridget schenkt der Geschichte Glauben und wähnt sich als Witwe.
Doch Alois ist in Wirklichkeit putzmunter. Seit dem Kriegsende im Jahr 1918 arbeitet er wieder regelmäßig in seinem alten Job – als Kellner des »Palais de Danse« im Zentrum Berlins. Während dieser Zeit lernt Alois die sieben Jahre jüngere Hedwig kennen und lieben. Er nennt sie nur »Hete«, obwohl ihr vollständiger Name Hedwig Frieda Amalie Mickley ist, geboren am 5. April 1889 in Groß Neuendorf im Kreis Lebus in Brandenburg. Hete ist ein paar Tage jünger als Alois’ Bruder Adolf. Mit der 29-Jährigen will Alois ein neues Leben beginnen. Der unstete Mann wechselt nochmals den Ort und zieht Anfang 1919 nach Hamburg. Er versucht sich wieder, zusammen mit einem Kompagnon, im Rasierklingengeschäft und eröffnet einen Laden. Kurz danach holt Alois seine Freundin nach, seitdem arbeitet Hete mit in dem Geschäft. Der frischgebackene Unternehmer spezialisiert sich auf die Wiederherstellung von Rasierklingen. Als Werbeattraktion besorgt er dafür eine Spezialmaschine aus Solingen, die von zwei hübschen jungen Frauen im Schaufenster bedient wird. Das lockt Kunden.
Hete ist mit ihrem Status als Arbeitskraft und Geliebte nicht zufrieden. Sie drängt Alois zur Heirat. Einen guten Grund dafür hat die Freundin vorzuweisen: Sie ist schwanger. Am 13. Dezember 1919 ist es soweit: Alois und Hedwig treten in Hamburg vor den Traualtar. Die neue Braut weiß von Alois’ früherer Ehe. Der Bräutigam hat ihr aber nicht verraten, dass er noch gar nicht geschieden ist. Die neue Ehe erfüllt den Tatbestand der Bigamie. Aber das weiß nur Alois. Und der behält das tunlichst für sich. Am 14. März 1920, drei Monate nach der Hochzeit, erhält die Familie Zuwachs: Heinz Hitler wird in Thesdorf/Quellenthal geboren, einer ländlichen Umgebung vor den Toren Hamburgs. Die Hitlers wohnen in Pinneberg, in der Osterholder Allee 8. Der Rasierklingenverkauf lastet Alois nicht aus. Er betreibt in seinem Garten eine Hühnerzucht und geht mit den Tieren zu Ausstellungen, wobei er Preise einheimst.
Im Jahr 1921 findet der erste Kontakt zu den anderen Hitlers statt – durch Zufall. Alois liest in der Zeitung über seinen Bruder Adolf, den Parteifunktionär, der eine Rede im Zirkus Krone in München hielt. Der Hamburger Hitler wendet sich ans Münchner Meldeamt, erhält die Adresse seines kleinen Bruders und schickt auf Drängen Hetes einen Brief an Adolf. Was tut der NS-Führer? Einladung für ein freudiges Wiedersehen mit dem großen Bruder nach mehr als 25 Jahren? Spontane Reise nach Hamburg? Nichts dergleichen. Adolf Hitler übergibt die Familienpflichten an Schwester Angela, die Alois zurückschreibt. Von fröhlicher Familienzusammenkunft ist dabei natürlich keine Rede. Erst im Sommer 1923 reist Angela auf Anordnung Adolfs nach Hamburg, um dort die Hitler-Familie kennen zu lernen. Das bleibt bis auf weiteres der einzige persönliche Kontakt zwischen den Geschwistern, ansonsten belässt es der Nazi-Führer bei Postkarten mit einigen
Weitere Kostenlose Bücher