Die Hitlers: Die unbekannte Familie des Führers
mit gnadenloser Rücksichtslosigkeit gegenüber den Einwohnern statt. Zwischen Juni 1938 und Herbst 1942 hatten in vier Phasen 6 800 Menschen ihre Heimat zu verlassen – viele verschwanden ganz aus dem Waldviertel. Insgesamt 42 Orte, sechs Weiler, zehn Mühlen und mehrere Einzelgehöfte waren von den »Aussiedlungen« betroffen. Wobei Aussiedlung ein beschönigendes Wort war, Vertreibung traf es schon eher. Denn Waldviertler hin oder her – die Menschen mussten weg. Das besorgte eine »Deutsche Ansiedlungsgesellschaft«, Außenstelle Allentsteig bei Döllersheim. Die ersten Bauern, die sich zum Verlassen ihrer Heimat bereit erklärten, erhielten von der Ansiedlungsgesellschaft noch Ersatzgüter außerhalb des Truppenübungsplatzes. Andere wurden mit Geld abgefunden. Doch es war klar, dass auf diesem Wege für fast 7 000 Menschen und etwa 1400 Liegenschaften keine Lösung zu finden war – es fehlten sowohl Ersatzgrundstücke als auch die Bereitschaft zu marktgerechten Zahlungen. Zudem wollten viele Menschen ihre angestammte Heimat auch gar nicht verlassen. So blieben am Ende nur schärfere Zwangsmaßnahmen und Enteignungen, viele gingen leer aus. Allein in Döllersheim waren 2002 Menschen und 419 Gebäude betroffen.
Die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft nutzte die Aktion zu einer »Arisierung« jüdischen Besitzes. Bereits 1938 wurden auf Höfen ehemals jüdischer Eigentümer Wohnungen für Umsiedler gebaut. Die Gesellschaft schrieb im selben Jahr, es sei »nicht zu verantworten, wenn die sich jetzt nach dem Umbruch ergebende günstige Gelegenheit, eine große Anzahl im nichtarischen Besitz befindlicher Güter für die Neubildung deutschen Bauerntums zu erwerben, verpasst würde. Die grenzpolitischen Probleme gerade in der Ostmark sind so außerordentlich wichtig, dass jede Gelegenheit, ein starkes Bauerntum an die Stelle des bisherigen jüdischen Großbetriebes zu setzen, ausgenutzt werden muß.« 65
Der Diktator hatte sein Ziel erreicht: Der Truppenübungsplatz entzog den alten »Ahnengau« der Hitlers der Neugier der Menschen. Nur noch Erinnerungsbändchen und Fotos blieben. Den Rest besorgten die Granaten der Armee: Sie verwandelten den Döllersheimer Friedhof mit der Kirche und dem Grab der Großmutter nach und nach in ein Trümmerfeld – und radierten damit die Erinnerung an Hitlers Heimat und Familie aus.
Streit der Frauen
Ohne Zweifel fühlt sich Angela Raubal nicht nur als die Chefin auf dem Obersalzberg, sondern auch als wichtigste Frau in Hitlers Leben, war sie doch seine ältere Schwester, die fast wie eine Mutter über Adolf wachte. Angela ist sogar gelegentlich bei Reisen mit dabei und besucht auch ihren Bruder in Berlin. Nur dem passt die Bevormundung ganz und gar nicht, auch nicht von einer Blutsverwandten. Das bekommt Angela zu spüren, als Eva Braun erstmals an der Seite des NS-Führers auftaucht. Es gibt nun eine andere Frau, die in Adolf Hitlers Leben ebenfalls einen Platz beansprucht – und zwar als Nummer eins. Eva kommt öfter mit auf den Obersalzberg, wohnt aber anfangs, ganz schicklich, noch nicht im Haus Wachenfeld, sondern in einer nahe gelegenen Pension oder in Berchtesgaden.
Von Beginn an gibt es zwischen den zwei Frauen Reibereien. »Eva Braun war Frau Raubal … nicht genehm, und sie machte aus ihrer Ablehnung auch keinen Hehl. Sie übersah die damals weißblonde Eva geflissentlich und redete sie nur mit ›Fräulein‹, ohne Namensnennung, an. Sie hielt mit ihrer Meinung nicht zurück«, erinnert sich Christa Schroeder. 117 Gegenüber Bekannten nennt Angela ihre Gegenspielerin eine »dumme Gans«. Die Auseinandersetzung eskaliert, als die Rivalinnen während des NSDAP-Reichsparteitages Mitte September 1935 aufeinander treffen. Eva Braun und Angela Raubal sind Ehrengäste, sitzen auf der VIP-Tribüne in der Nähe des Diktators. Hitlers persönlicher Adjutant Julius Schaub erinnert sich: »Unter den Damen herrschte ein ziemlich gespanntes Verhältnis, und man kann wohl sagen, es entstanden zwei Lager, das eine um Frau Raubal, das andere stellten die Damen dar, die von dem ersteren Lager nicht gern gesehen waren. Zu dieser Zeit erfuhr Frau Raubal wohl zum ersten Mal von dem Verhältnis ihres Bruders zu Eva Braun, dass er ihr Kleider kaufe und ihr Geschenke mache. Sie ließ daher ganz offensichtlich ihre feindselige Einstellung zu Eva Braun erkennen.« 118 Angelas Verhalten erinnert an eine eifersüchtige Ehefrau, die die Geliebte des Mannes wegbeißen will. Sie interveniert bei
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